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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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nicht vor die Kamera musste, war sie dabei, dann tranken sie beide. Sie hatte ihr Nachtkultureckchen, er verdiente Geld. Das Geld für ein Leben in der Schadowstraße mit ihrem kleinen Freundesstamm: für Katrin kaum der Erforschung wert. In der dunklen Jahreszeit ein Wohnungsleben, außer, er fährt seinen Jaguar spazieren, erst durch die Waschanlage, dann auf die Autobahn, einmal Mainz und zurück, und am Abend durch die Stadt mit Musik aus zwanzig versteckten Boxen, einem ganzen Orchester. Mit Leonhard Cohen oder Miles Davis geht es die Bockenheimer entlang, da ist er früher zur Uni geradelt, seine drei, vier Semester Soziologie, zu Habermas und Alfred Schmidt, in Seminare voller Frauen, oft gesprengt von ihrer Wildheit: Was die alles im Kopf hatten, Benjamin, Kracauer, Hannah Arendt, ein Salz, das er aufgeleckt hat. Wie das von Vila manchmal noch, nachts auf dem See und buchstäblich, den Kopf zwischen ihren Beinen, blind wie die Elefanten, die ferne Höhlen aufsuchen, um in ihrer Tiefe den mineralischen Stein abzulecken, sonst würden sie eingehen. Das war der Mangel bei seinen Vulvabildern: Das Salz hatte gefehlt. Die Frauen in der Kommission wollten ihr Salz sehen, dann hätten sie ja gesagt. Und er wäre Maler geworden, kein Serienschreiber. Es war nichts als dumm gelaufen, wie bei Hitler. Hitler hätte sein Leben lang Berge und Festungen gemalt, und das jüdische Hollywood läge in Babelsberg, und er, Renz, wäre Filmkritiker Nummer eins. Jetzt ist alles zu spät, er geht auf Mitte sechzig zu. Sein Bart ist weiß und um den Schwanz ein Häufchen Lametta, er könnte in den eigenen Serien das alterslose Charmeschwein spielen, das Sympathietier, wie’s in der Produktion immer heißt. Er kennt alle drei Stars in dem Fach, sie haben schon getrunken und getanzt zusammen, München, Mallorca, Kitzbühel. Kurze Beine, rotes Stirntuch, falsches Haar und Grimassen: dreimal Berlusconi, aber bezahlt vom Fernsehen, Vorabendmonster, hinter Kindfrauen her und im Grunde auf Jungs aus. Nie hat er sich mehr gehasst als in Gegenwart dieser Schauspielersaurier, die seine Billigsätze fressen, um sie am Set wieder auszuspucken. Und das Präziseste, das Vila ihm je angetan hat: mit einem der Saurier nachts am Strand zu verschwinden, dem Sympathietier Maiwald, der im Fernsehen schon Leute verhaftet hatte, als er, Renz, noch halb zur Schule ging, dieses salzlose, poröse, falsche Urgestein soll Vila geradezu angefleht haben, ihm seine Tropfen aus dem Maiwald-Ding zu holen, und sie hat es getan, nur um es irgendwann erzählen zu können, ein Jahr später nach drei Flaschen Barolo zu zweit. Sie war betrunken, aber wollte in der Nacht mit ihm schlafen, es dauerte ewig, bis sie kam, und in den Sekunden danach sah er ihr Mädchengesicht, zum ersten Mal – das Gesicht, mit dem sie ihn betrogen hatte. Katrin war damals sechzehn, sie ging schon ihrer Wege, und Vila hatte nach all den Mutter-Kind-Jahren wieder Zeit für sich; sie traf sich mit alten Freunden, sie lernte Italienisch, und in den Sommerwochen im Haus machte sie ihn mit jedem Handwerker nervös. Sie war nicht zehn Jahre jünger als jetzt, sondern dreißig, nur nicht, wenn sie abends zum Essen den steilen Hohlweg hinunterging: da hielt sie sich plötzlich an ihm, um mit ihren jugendlich unvernünftigen Schuhen nicht auf dem glatten Stein abzurutschen, hängte sich ein, ja berührte sogar mit dem Kopf seine Schulter, und immer wieder kurz sein Gedanke, sie würde wirklich Halt bei ihm suchen, den Halt, den er bei ihr fand.
    Eine Katze lief über den Platz vor der Kirche, über die Stelle, an der Kasper, auf dem Sprung zu einer anderen Katze, überrollt worden war; Renz korkte die Flasche zu und ging ins Bad. Das Fürstenhaar hing ihm über die Ohren, und auch die Backen hatten etwas Hängendes, nur der Blick war gerade, gerade auf ihn im Spiegel gerichtet. In Assisi zu sein war das Präziseste, das er Vila antun konnte, nur ertrug sie mehr als er, weil sie ihn ertrug, auch wenn sie manchmal von Trennung sprach, wir können uns trennen, auf der Stelle, einer ihrer Sätze bei jedem Streit. Oder: Er sei nichts als ein riesiger Irrtum, seine Bilder hätten es ihr schon sagen müssen: nicht ihr Gegenstand sei Grund für sein Scheitern gewesen, sondern die lieblose Darstellung – deine eigene Lieblosigkeit! Der saß bei ihm, dieser Aufschrei, und was von den Bildern noch übrig war, landete auf dem Sperrmüll. Nur eines behielt er, das einzige in Schwarzweiß und in leichter

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