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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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mit je zwei Langusten, rot wie die Buchstaben von Adios a la vulgaridad, er stellte sie auf den Tisch und ging wieder. Mahlzeit, sagte Spiegelhalter, Auftakt eines Roof Dinners im Schein der alten Lampen, die neben dem Wandbild des Toten auch Szenen zwischen dem Tänzer und seinem athletischen Reh anstrahlten, beide nackt umschlungen, vor und während des Akts in den schaumigen Ausläufern einer Welle, die das Meeresessen geradewegs auf die Teller gespült zu haben schien. Der schwarze Diener brachte noch Rum, er schwebte um den Tisch, und schon waren die Gläser gefüllt, dunkelbraun funkelnd. Vom Meer ein lauer, wie in Salz und Öl getauchter Wind; der Rum stark und süß: ein flüssiges Fest. Vila sah zu der Wandzeile – es gab keine Übersetzung. Sie streifte einen Schuh ab, um den Boden zu spüren, ihr Fuß stieß an Bühls Fuß, kaum einen Herzschlag lang, dann tastete sie mit den Zehen nach dem Schuh, sie wollte wieder hinein, nichts war alberner, als unter einem Tisch herumzumachen. Ich habe ihn, sagte Bühl, und ihre Zehen kamen an seine. Er bückte sich und schob ihr den Schuh über den Fuß, ein Akt des Anziehens wie ein Ausziehen, als auf dem Tisch schon die Schalen geknackt wurden und ein glänzend weißes Fleisch hervorkam. Keiner sagte etwas, jeder aß, Vila mit den Fingern, so war es am einfachsten. Sie zerbrach die Krusten und zog das Innere heraus und schob sich das Fleisch in den Mund, eine barbarische Geste in dem Bewusstsein, dass sie schön dabei aussah.
    DREI , viermal hatte Bühl sie nur angesehen während des Essens, wenn ihre Hände die roten Schalen zerbrachen oder der Wind das Haar aufstellte, wenn sie sich Öl von den Lippen wischte und den Mund verzog, als würde sie lächeln, oder einen Anlauf machte, ihn anzusehen, wie er sich die Finger ableckte, wie er seinen Rum trank – und das alles kein Wunder, nichts, das einen wie ihn überrascht hätte. Eins seiner Dinge, um einen Ethik-Kurs aufzumischen, waren die Liebesreflexe, erste Blicke, erste Worte – Wir können nichts anderes lieben als das, was schön ist, schrieb Augustinus, und im alten Rom hieß es: Pulchrum est quod visu placet, schön ist, was im Anschauen gefällt. Ich liebe den anderen mit den Augen, darum ist er schön, er hat etwas, das mir die Augen, nach allem neugierigen Schauen, noch einmal öffnet. Und als Vila beim Bezahlen der Sonderspende an den Hausherrn, damit er das Interview vermittle, plus den Taxispesen für Spiegelhalter, damit er verschwinde, das Geld abzählte und ihn bat mitzuzählen, Los, hilf mir, Bühl, und sie beide die Scheine hielten, aber sich ansahen, statt zu zählen, vermutlich sekundenlang, hatte das nicht mehr viel mit Neugier zu tun. Kurz danach ein Gang auf der unbeleuchteten Calle Gervasio, und da sahen sie sich schon, allen Schlaglöchern zum Trotz, immer wieder von der Seite an und rempelten sogar einander sanft mit dem Ellbogen.
    Vila wollte ans Meer, obwohl es zu regnen begann, dazu ein Wind, der nach Tang roch, und je näher sie der Uferstraße kamen, desto mehr mischte sich der Regen mit verwehter Gischt, wenn das Wasser über die Kaimauer schoss, für sie kein Grund umzukehren. Sie nahm im Gehen die Rucksacktasche ab und zerrte einen dünnen, geknüllten Mantel heraus, den warf sie über sich und Bühl, ein Flatterdach, vom Wind fast weggerissen, als sie zur Uferstraße kamen, und sie rannten unter die verwaisten Arkaden am Malecón, der sich in weitem Bogen, wie vom Meer nach und nach eingedellt, bis zu einem Leuchtturm zog; nur vereinzelt ein Klotz mit Lichtern in der Schwärze und das Blinken von Buchstaben, die zu dem Wort Hotel gehörten, ein O, ein T, der Rest verloren. Dort, wo sie Schutz fanden, unter dem Vordach eines Gebäudes mit vernagelten Türen, lebten nur magere Hunde, schlafend auf gesprungenen Kacheln oder still umherschleichend, und davor das laute Hin und Her uralter Chevys, Lincolns und Fords, Pontiacs und Cadillacs in sämtlichen Farben. Weißt du, was dir fehlt, rief Vila im Lärm von Brandung und Autos, dir fehlt ein richtiger Rasierer! Sie stand mit dem Rücken an einer der Säulen, eine Hand im Haar, die andere Hand hielt noch den Mantel, jetzt ein Geflatter vor Brust und Bauch, bis Bühl ihr den Mantel abnahm, und nun hatte sie eine Hand frei, mindestens eine, und die legte sie ihm um den Nacken, etwas, das so geschah, als würde eine Vila der anderen zuschauen, unfähig einzugreifen, und dabei sah sie schräg an Bühl vorbei auf den Boden, wo der Wind

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