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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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warum nicht? Sie stieß noch einmal mit dem Kopf an seine Schulter, und jetzt stieß er zurück und küsste dabei gleich ihre Schläfe. Es hat sich nicht ergeben, sagte er. Ich habe sie nur einmal aus der Ferne gesehen. Und dein Mann wollte auch sicher allein sein mit ihr, oder wäre er sonst mit ihr verreist? Eine Mutmaßung, fast schon Behauptung, und Vila ging etwas schneller, als könnte sie damit alles mehr oder schneller hinter sich lassen. Ich weiß nicht, was Renz will, rief sie. Weißt du, was du willst? Schon zum zweiten Mal diese Frage, einfach in die Dunkelheit gestellt; Bühl hatte ihr Tempo nicht mitgemacht, er lief irgendwo hinter ihr, seine Schritte waren kaum zu hören; er fehlte ihr schon. Erst in der Eingangstür zum Hotel kam er wieder auf gleiche Höhe, fast eine Kollision durch die nachschwingende Tür, und sie schob ihn förmlich in die Halle, ein Gang bis zu den Fahrstühlen und in eine Kabine, zu einem italienischen Pärchen, die Frau mit beruhigenden Worten für ihren Mann mit Darmproblemen, und am liebsten hätte sie mitgeredet, sich in ihre Sommersprache zurückgezogen. Bühl stand vor ihr in der engen Kabine, sein Hemd klebte noch auf der Haut, sie fuhr mit der flachen Hand darüber, in der anderen Hand den Rucksack und ihren durchweichten Mantel, in der Tasche ein nüchternes Klingeln, als der Lift im Fünften hielt. Die Tür ging auf, und sie drückte sich an ihm vorbei, Du musst richtig gut sein als Kameramann, damit die im Sender nichts merken, also üben wir morgen, was denkst du? Sie küsste sein Ohr, mit einem Fuß schon auf ihrer Etage, und der noch Auszubildende sah sie an. Dein Telefon läutet.
    Ein Klingelton, ein Seitenblick, das Matte in einer Stimme, fast ein Nichts kann den Alarm auslösen, dass der andere sich abkehrt oder überhaupt zwei Seiten hat und man für ihn nicht der Einzige ist. Bühl war auf sein Zimmer gelaufen, er hatte sich hingelegt, neben sich die Franziskusblätter, das Assisifragment, den Rückhalt, den ihm keiner nehmen konnte.
    Seine Mutter, die litt schon, wenn ihr Mann mit Ballen von Seide aus Thailand zurückkam, nicht wegen der Mädchen, die es dort gab: Sie war eifersüchtig auf den schimmernden Stoff, der ihn mehr beschäftigte als die Haut seiner Frau. Und der Vater blieb ihren Kulturabenden fern, als seien es Kulturnächte und die Kultur ein junger gewandter Mann. Und er selbst, beider Sohn, war alarmiert, sobald sein Freund Cornelius nur mit einem anderen sprach, und kam sich noch dümmer vor, als ihm die Eltern vorkamen. Aber eigentlich war es nur die Knechtschaft unter dem Dummen der Eifersucht, mit der er nichts zu tun haben wollte, als er auf dem Bett lag, an den Fingern noch die Spuren einer Stunde, die seine ganzen Erwachsenenjahre wie verlorene Zeit aussehen ließ. Allein die Zeit davor galt noch, die Internatsjahre, dazu die Tage vom Ossiacher See mit dem Mädchen Marlies, die später Mattrainer-Kilian hieß, ihre verlorenen Jahre, und die jetzt mit Vilas Mann unterwegs war; auch sein Wissen um den einen Kuss im Regen mit ihr konnte ihm keiner nehmen. Und im Grunde war es genau das, was er wollte, etwas ein für alle Mal wissen: Das hätte er antworten können auf Vilas Weißt du, was du willst? O ja. Ich will wissen, warum du wolltest, dass ich dir nachreise, und ich es getan habe und nun hier bin in dieser zerfallenden Stadt, hier den Mund auf deinen presse, minutenlang, und stillhalte, wenn deine Hand kommt, warum ich mich ausliefere, als sei nichts fremd an dir, nicht dein Geruch, deine Stimme, nicht dein Gesicht.
    Bühl drehte sich zur Wand, er versuchte zu schlafen, nur ließ es ihm keine Ruhe, wie wenig er in diesem Fall – dem Glücksfall mit Vila – wusste. Wer nichts weiß, steht mit leeren Händen da, ein Idiot, darum wollte er schon immer viel wissen, alles, was anderen fehlt. Cornelius etwa hatte es an Latein gefehlt, also kam De Bello Gallico mit ins Schilf. Erst das Schwimmen im See, dann lagen sie beieinander, Se prius in Galliam venisse quam populum Romanum: Accusativus cum infinitivo, seine eindringlichen Worte, fast zärtlich. Und weiter: Numquam ante hoc tempus exercitum populi Romani Galliae provinciae finibus egressum. Quid sibi vellet? Er schlug sich an die Brust bei dieser Frage nach einem Wunsch, der besser nicht in Erfüllung geht – sein Wunsch, endlich den Freund zu umarmen –, er schlug sich auf den Kopf, damit der Freund es kapiere, und der beruhigte ihn, indem er sich helfen ließ: wohl seine

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