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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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sich hin, und nun endlich der Schlaf (der das Liebessehnen erträglicher macht); als sie aufwachte, wurde es schon dunkel, am Zimmertelefon das Blinkzeichen für eine Message. Und dann hörte sie Bühls Stimme, ein Guten Morgen: als sei das normal, den Tag zu verschlafen, an dem seine Ausbildung zum Hilfskameramann losgehen sollte. Er teilte ihr mit, wo er war, in Spiegelhalters Café – Komm nach, wenn du wach bist, ich vermisse dich! Also stand sie auf und ging unter die Dusche; sie wusch ihr Haar und sprach seinen Namen aus, mal streng, mal lobend, auch noch beim Anziehen – ein leichtes Kleid, darüber ein Hemd, das eigentlich Katrin gehörte. Dann noch einmal die Lobby, wieder ein Sofa, sie studierte das Begleitheft für die neue HD-Kamera und ließ die drei Musikanten abblitzen.
    Das Café Francesa oder Spielhalters Büro – Bühl war dort auf Hauptmann Kampe gestoßen, der junge Veteran an Spiegelhalters Tisch wie in Vertretung, und zum ersten Mal gesprächig. Er erzählte vom Umzug der Eltern nach der Wende, von Frankfurt/Oder nach Frankfurt/Main, er noch ein Kind, als er in die Bankenstadt kam, aber nicht dorthin, wo man die Hochhäuser sah, sondern weit weg vom Geld. Sie tranken Bier und aßen Nüsse, und der Hauptmann a. D. kam auf den Tag, an dem er sich als Junge zum ersten Mal allein in die Stadt gewagt hatte. Ich war auf der Zeil, im Kino, sagte er, als Vila an den Tisch trat. Bühl wollte aufstehen, aber schon waren zwei Hände an seinen Schultern, er konnte Vila nur einen Stuhl heranziehen, sie setzte sich und trank von seinem Bier, während Kampe die Hemdsärmel aufkrempelte, ein sandfarbenes Hemd, über der Brusttasche Dienstgrad und Name, Hptm. Kampe, als sei er noch Soldat, und er hatte es nicht umsonst aufgekrempelt, seine Unterarme waren tätowiert, mit Wörtern wie Alles klar, Ja/Nein, Danke, Bitte und Hilfe, daneben die afghanische Entsprechung in Lautschrift, ein Notvokabelheft. Und was macht die Zeil, fragte er. Ich war zuletzt mit beiden Beinen dort. Was macht sie?
    Sie muss ihre Verschönerungen ertragen, sagte Bühl, sie wird immer käfighafter. Wie ist das passiert mit dem Bein?
    Kampe beugte sich über den Tisch, Spielt das eine Rolle? Wollen Sie wissen, warum ich hier bin? Weil Veteranen bei uns die Dummen sind. Selber schuld. Hier ziehen die Leute ihre Kappe, respeto – Krieg ist Krieg. Kennen Sie den Film Troja mit Brad Pitt, da geht’s am Ende auch um Respekt. Hab ich im MGM gesehen, neben der Zeil. Schäfergasse.
    Das Kino gibt’s nicht mehr.
    Das ganze Kino?
    Ja, alles weg, sagte Bühl. Nur noch eine Grube.
    Nur noch eine Grube, wiederholte der Hauptmann. Und da war ich in Titanic, mit einer aus Walldorf, auf dem Doppelsitz in der Mitte, wo man einsank und die Lehne im Nacken hatte. Und Platz für alle Beine. Und gar nichts mehr da?
    Kein Stein mehr. Und das Rundschau-Haus ist auch weg.
    Das beim Turm-Palast, schräg über die Straße?
    Genau das. Es ist einfach weg.
    Im Turm-Palast, da hab ich Speed gesehen. Keanu Reeves, Sandra Bullock. Und Sie?
    Im Turm-Palast? Ich weiß es nicht. Irgendwas bestimmt.
    Irgendwas bestimmt ist keine Antwort.
    Vielleicht Apokalypse Now, sagte Bühl.
    Das gab’s im Kundus-Lager – Kampe trank sein Bier aus und legte Geld auf den Tisch –, erst das, dann Platoon, dann Deer Hunter. Deer Hunter ist der beste. Die Szene mit dem russischen Roulette: immer noch eine Patrone in die Trommel, bis es reicht, die Schlitzaugen fertigzumachen.
    Wenn wir zu diesem alten Staatsdichter fahren, was wird da Ihre Tätigkeit sein?
    Security. Fernández wohnt im Diplomatenviertel, das heißt im Militärgebiet, überall Geheimpolizei, also muss einer die Augen aufhalten. Sie waren kein Soldat?
    Nein, kein Soldat.
    Und warum kein Soldat?
    Ich war bei behinderten Künstlern. Ersatzdienst.
    Du warst bei behinderten Künstlern? Vila blätterte in dem Begleitheft zu ihrer Kamera, fast schon ein Buch.
    Ja. Behinderte Künstler, nicht ganz dicht, aber eigen.
    Und die können malen, fragte Kampe.
    Malen, zeichnen, basteln. Einer hat nur Flugzeuge aus Papier gebastelt, verrückte Riesendinger.
    Und die sind geflogen?
    Nein, die hingen nur von der Decke. Als fliegende Schiffe. Die hatten alles an Bord, eine Welt in der Luft.
    Wie Air Force One – Kampe holte Zigaretten aus der Hemdtasche, er stecke sich eine an und schluckte den Rauch –, das hab ich auch im MGM gesehen, mit einer aus Dietzenbach, Hexenberg, wo die Besseren wohnen. Wir saßen ganz hinten, allein. Und

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