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Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Titel: Liebe Isländer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Huldar Breiðfjörð
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jetzt gleich sprechen müsste.« Warum hielt er mich für einen Ausländer? Wirke ich wie ein Elf aus einem Hügel in diesem gelben, winddicht-wasserdicht-atmungsaktiven-und-ich-weiß-nicht-was-Goretex-Outdoor-Overall?
    Als ich wegen meiner geplanten Fahrt nach Stykkishólmur um Rat frage, empfiehlt er mir, den nächsten Tag ruhig angehen zu lassen, undsagt, dass das ganze Polizeiteam morgen dorthin wolle, er aber bezweifle, dass überhaupt jemand fahren werde. »Es kann so höllisch windig werden in den Fjorden dort im Inneren.« Dann meint er, ich solle mich einfach in Ólafsvík umsehen.
    »Kannst du etwas besonders empfehlen?«
    »Ich empfehle natürlich alles in Ólafsvík.«
    Er ist also zufrieden mit seinem Örtchen. Er reicht mir einen Zettel mit der Mobilnummer der Station. »Du kannst uns morgen um die Mittagszeit anrufen. Entweder sitzen wir hier fest oder wir sind auf dem Weg in den Fjord.« Dann grinst er und fügt hinzu: »Naja, oder vom Weg gepustet worden.«
    Ich schlafe mit den Stimmen von Vater und Sohn im Nachbarzimmer ein. Der Junge fordert Eis und will die Mama anrufen. Dann die beruhigende Stimme des Vaters.
     
    Ich erwache am Mittag. Und versuche mir selbst weiszumachen, dass es in Ordnung ist, weil ich den Schlafsackplatz ausnutzen und mich gut ausruhen muss. Ich kann mich jedoch nicht austricksen und habe ein schlechtes Gewissen. Gestern Abend habe ich zu viel geraucht und über Kopfhörer bis in die Nacht Musik gehört, so dass ich pochende Kopfschmerzen habe und innen ganz rau bin. Ich finde, ich bin zu dick, faul, unorganisiert und irgendwie völlig chaotisch. Wäre ich zu Hause, hätte ich jetzt bestimmt aufgeräumt. Vielleicht einige Fitnessstudios angerufen, um die Monatspreise für Mitgliedskarten zu ermitteln, oder einen manischen, völlig unrealistischen Wochenplan erstellt.
    Obwohl sich das Wetter etwas gebessert hat, ist es immer noch sehr windig und regnet in Strömen. Ich öffne die Kühlbox, schmiere mir ein Brot mit Pastete am Schreibtisch und trinke einen lauwarmen, zuckerfreien Svali. Kindern kann man alles vorlügen. Eltern sollten lieber sagen: »Wenn du dich nicht ordentlich benimmst, musst du einen lauwarmen Svali trinken!«, statt die armen damit zu »belohnen«. Doch ich werde immer wacher mit dem Grauen, das jedem Schluck folgt. In den Mittagsnachrichten wird berichtet, dass sich eintödlicher Unfall ereignet hat, als ein Lastwagen von der Straße geweht wurde. Auf dem Weg hinunter ins Restaurant schärfe ich mir selbst mehrfach ein, auf dieser Reise keine weiteren Risiken einzugehen.
    Außer dem Ehepaar, das das Hotel führt, ist niemand im Restaurant. Sie sitzen versonnen an einem kerzenbeleuchteten Tisch in der Ecke und schauen aus dem Fenster. Ich bestelle mir einen Kaffee und beginne, in mein Tagebuch zu schreiben. Die Hotelleiterin stellt den Kaffee vor mich auf den Tisch und sagt: »Na, das Wetter wird nun etwas besser. Heut Abend klart es auf.«
    »Ja. Schrecklich, dieser tödliche Unfall.«
    »Ja, fürchterlich, wenn so etwas geschieht.«
    »Sag mal, nach Búlandshöfði – ist die Strecke sehr schlimm?«
    »Es kann gefährlich werden, wenn es taut.«
    »Ist sie so steil?«
    »Nein. Das Gefährlichste sind die Felsstürze.«
    »Felsstürze?«
    »Und dann kann es dort furchtbar windig sein.«
    »Tatsächlich.«
    Obwohl ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen, sieht sie, dass mich das beunruhigt, und fügt hinzu: »Aber morgen müsste sie eigentlich in Ordnung sein. Heut Nacht soll es Frost geben. Dann dürfte nichts runterkommen.«
    Sie setzt sich wieder an den Tisch, und ich versuche mich mit dem »dürfte nicht« abzufinden und tue so, als vertiefe ich mich in das Tagebuch. Was genau bedeutet dieses »dürfte nicht«? Hat sie das einfach nur so gesagt, oder meinte sie, dass es bei Frost mit geringerer Wahrscheinlichkeit zu Felsstürzen komme? Aber trotzdem mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Ich möchte sie wahnsinnig gern genauer zu diesem ausweichenden »dürfte nicht« befragen, halte mich jedoch zurück und beschließe zu versuchen, Búlandshöfði fürs Erste zu vergessen. Ich werde verrückt, wenn ich mir über jede einzelne bevorstehende »Gefahr« so viele Gedanken mache.
    Ich bin zu unruhig, um zu schreiben, und beobachte heimlich dasPaar. Sein Gesicht ist grob und kraftvoll, und darin liegt dieser harsche Ólafsvíker Ausdruck. Sie ähnelt eher dem freundlichen Hellissandur. Beide haben einen abwesenden Blick und scheinen viel weiter zu

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