Liebe Isländer: Roman (German Edition)
Ort statt. Außer dem Gastgeber, dem Schauspieler und mir waren dort noch zwei Mädchen aus Ólafsfjörður, die von drei Dalvíker Jungs im Wechsel angebaggert oder dazu aufgefordert wurden, sich nach Hause zu scheren. Und außerdem zwei Mädchen aus Dalvík, von denen eine Pamela Anderson genannt wurde. »Die hat Silikon«, flüsterte mir der Schauspieler zu. Die meisten saßen im Wohnzimmer, sahen einander an oder stürzten sich auf den CD-Spieler und wechselten den Song, sobald jemand anderes gerade das Stück gewechselt hatte. Die Triebfeder der Party war der Hüne. Die ganze Zeit zwei, drei Leute an sich festgeklammert, nachdem er sie an sich gerissen hatte, und auf alle Beschimpfungen abfeuernd. Zuerst dachte ich, der Mann hätte so eine entsetzliche Abneigung gegen die Partygäste, begriff dann aber, dass dies seine Art war, die Leute bei Stimmung zu halten. Immerhin waren alle gut damit beschäftigt, entweder über ihn zu lachen oder zu versuchen, ihm Paroli zu bieten. Binnen kurzem begann die obligatorische Suche nach Alkoholnachschub. Während sich zwei Jungen unverdrossen an den Hünen klammerten, riss der Schauspieler sämtliche Schränke auf und fand eine halbe Wodkaflasche. Er schenkte allen gerecht ein. Außer dem Gastgeber.
Bestimmt war das eine ganz normale Party, die sich wo auch immer genauso abspielen könnte. Und bestimmt waren wir alle nur gewöhnliche Leute, die sich um Sinn und Verstand soffen, um eine etwasbessere Entschuldigung dafür zu haben, nicht genau zu wissen, wo in der »Welt« sie sich befanden. Isländische Musik war hoch angesehen, und niemand wurde mehr gespielt als der gute alte Bubbi. Zuerst mit den Utangarðsmenn, dann mit Egó. Und als wir in das Stadium kamen, wo man angeheitert zusammensackt und sich ziemlich wohl dabei fühlt, dass es einem ein bisschen schlechtgeht, klangen die wehmütigsten Stücke von der
Kona -LP
durchs Wohnzimmer. Zum Schluss fand der Hüne die Flasche und entleerte sich in die Toilette, kippte dann einfach um, und seine Party versandete.
Auf dem Weg »nach Hause« torkelte ich an Garðar vorbei.
In den Fenstern spiegelte sich ein abgefüllter Junge.
Auf dem Weg hinein? Auf dem Weg hinaus?
Abgesehen davon, dass es diesen furchtbaren Namen trägt, hat Svarfaðardalur große Persönlichkeiten hervorgebracht wie Kristján Eldjárn von Tjörn und den größten Isländer Jóhann den Riesen, und jetzt lebt dort der älteste Mensch des Landes. Das Tal war noch ein weiterer Ort, der unter einem weißen Teppich lag und seinen Schönheitsschlaf vor dem Frühling hielt. Ich wollte die Menschen treffen und beschloss, mich dafür wieder in einen Buchhändler zu verwandeln, um einen guten Grund zu haben, die Höfe anzufahren.
Svarfaðardalur war auf jeden Fall schön an diesem Tag. Der Sonnenschein floss von den Berghängen herab und sammelte sich in glühenden Gräben, Wolken segelten am Himmel entlang. An den Hängen verfolgten ihre Schatten unsichtbare Skiläufer zwischen den Bauernhöfen, die wie Kaffibars in unterschiedlichen Farben strahlten. Obwohl nirgendwo eine Schlange davor stand, hatte ich doch die größten Schwierigkeiten, Einlass zu erhalten.
Wenn ich auf die Zufahrtsstraße zu den Höfen einbog, kam ausnahmslos Bewegung in die Küchengardinen. Dahinter standen Leute und sahen zu, wie ich aus dem Auto stieg, taten dann aber unglaublich überrascht, wenn sie die Haustür öffneten und feststellten, dass jemand zu Besuch kam. Ich wurde nicht unfreundlich empfangen. DieLeute zeigten nur entschieden mehr Interesse an den Büchern als an ihrem Verkäufer. Und auch wenn ich die Nase hochzog und versuchte, vor den Haustüren so leidend wie möglich zu erscheinen, bat mich nur einer herein. Er machte Kaffee, holte verschiedene Kekssorten hervor und erzählte dann eine Stunde lang von seinen Kindern, die im Ausland studierten. Am Ende bat er mich, etwas ins Gästebuch des Hauses einzutragen, kaufte aber nichts, und ich hatte das Gefühl, veräppelt worden zu sein.
Trotzdem ging der Buchverkauf relativ gut, und nach diesem Tag ist
Der Sommer hinter dem Hügel
von Jón Kalman Stefánsson auf jedem zweiten Hof im Svarfaðardalur vorhanden. Immerhin, wie eine Bäuerin es formulierte: »Es liegt so gut in der Hand, dieses Buch.« Doch mir konnte es nicht gleichgültiger sein, ob die Bücher sich verkauften oder nicht. Sie sollten mir Eintrittskarten in die Küchen sein. So entschied ich mich, bevor ich an die Þverá kam, wo Helgi, der älteste Mensch
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