Liebe Isländer: Roman (German Edition)
Falls das Wetter mich am Hintern erwischen sollte, könnte ich in große Schwierigkeiten geraten, weil die Gegend um die Breiðdalsheiði nur dünn besiedelt ist. Natürlich war es besser, bei schlechtem Wetter bei Björn festzusitzen als irgendwo neben der Straße. Obwohl ich nicht unbedingt nach Hause wollte, hatte ich begonnen, mich danach zu sehnen, das Ende vom Ganzen zu sehen. Über die letzte Bergstraße zu kommen, vorbei an den letzten Geröllhängen, und zu spüren, dass allesinsgesamt aufgehen würde. Dann könnte ich mir auf dem Heimweg Zeit lassen und es genießen, die Reise in aller Ruhe abzuschließen.
Auf der Islandkarte sah Höfn genau wie das richtige Etappenziel aus. Ich hatte mich schon lange darauf gefreut, dort hinzukommen. Ab Höfn führte eine flache, asphaltierte Straße die ganze Strecke bis nach Hause. Entlang der roten Straßenlinie auf der Karte waren keine Steigungen und keine Hänge hinunter ins Meer verzeichnet. Darüber hinaus bestand ein enormer psychologischer Unterschied zwischen der Distanz von Reykjavík bis Egilsstaðir einerseits und der zwischen Reykjavík und Höfn andererseits. Es konnte kaum einen größeren Abstand zwischen zwei Punkten auf der Islandkarte geben, als zwischen Reykjavík und Egilsstaðir.
Björn saß in der Küche, um sich mit einem Kaffee für die nächste Nachrichtensendung aufzumuntern. Ich setzte mich an den Tisch und legte die Karte zur Seite. »Haben sie irgendwas gesagt, wann genau das losgehen soll?«
Björn sah mich mit einem schiefen Lächeln an: »Nein, darüber haben sie nichts gesagt.«
»Nein.«
»Gibt es irgendwas aus Seyðisfjörður zu berichten?«
»Nö. Ich habe einen Seehund gesehen.«
»Wirklich?«
»Ja.«
Schweigen.
»Ist was, mein Freund?«
Als ich Björn gesagt hatte, worüber ich mir den Kopf zerbrach, sah er aus dem Fenster, las in den Wolken und sagte: »Du hast zwei Stunden, um von hier wegzukommen. Du solltest es bis Breiðdalsvík schaffen.«
Breiðalsvík
Eine Viertelstunde nach Björns Wolkendeutung fuhr ich am Lagarfljót entlang nach Osten. Die Breiðdalsheiði machte keine Probleme, aber im Tal auf der anderen Seite empfingen mich Sturm und Schneefall, der sich bald in ein Schneetreiben verwandelte. Ich konnte mir das nicht erklären. Es war, als ob ich eher in das Wetter hineinführe, als ihm zu entkommen. Kurz vor Breiðdalsvík war der Sturm so stark, dass ich mit dem Wind um die Wette am Lenkrad zerrte. Ich hatte die Idee, die hintere Seitentür zu öffnen, um den Druck auf die Seite des Wagens zu mindern, wollte es dann aber doch nicht riskieren, das Gepäck hinaus und über alle Berge fliegen zu sehen. Wenn ich nicht in Breiðdalsvík anhielte, dann käme als Nächstes der Berufjörður, und dort wäre der Sturm bestimmt noch heftiger. Ich fand es bloß nicht genug, es nur bis Breiðdalsvík zu schaffen. Ich wollte noch weiter nach Süden kommen, mindestens bis Djúpivogur, am besten bis Höfn.
Ich fuhr an die Seite, rief das Straßenamt an und fragte nach dem »Status« im Berufjörður. Die beim Straßenamt hatten größeren Respekt vor dem Anrufer, wenn dieser um den »Status« bat und nicht danach fragte, wie das Wetter sei oder ob bestimmte Wege vereist wären. Ich hörte den Mann auf einer Tastatur tippen, und als er antwortete, sah er bestimmt auf einen Computerbildschirm, denn dann spricht man langsamer: »Ja, Berufjörður. Das kann bis Windstärke 11 hochgehen in den stärksten Böen. Wenn die LKW-Fahrer mit leerem Wagen unterwegs sind, fahren sie jetzt nicht mehr dort entlang. Starke Windstöße. Fährst du einen leeren Wagen?«
»Ach. Elf, ja, na das ist ordentlich. Wie sieht denn die Fortsetzung aus?«
»Sie haben irgendwas davon gesagt, dass es morgen abflauen soll. Ich kann es nicht sagen. Schwierig, so etwas vorherzusagen«, antwortete der Mann und lachte. So als ob wir, die Freunde, die wir im ständigen Kampf mit Wetter und Straßenverhältnissen waren, uns nicht alles weismachen ließen. Es war offensichtlich, dass er glaubte, mit einem Fachmann zu sprechen.
Während ich den rötlichen Kaffee von Björn trank, überlegte ich, ob es nicht am besten wäre, mich da einfach durchzuschlagen. Elf, wo war das eigentlich auf der Skala? Weit genug oben, um den Lappländer so sehr zu schütteln, dass es schwierig war, den Kaffeebecher ruhig zu halten! In einer kleinen Bucht weiter vorn spritzte das Meer wild lärmend auf den Strand hinauf. Ein paar Grashalme am Straßenrand rissen sich
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