Liebe ist ein Kleid aus Feuer
der König. »Ebenso mit ihrem Gemahl, dem Ritter Raimund. Und niemand wird mir dazwischenfahren. Wenn du jetzt schweigst, dann für immer. Hast du mich verstanden?«
Der rote Mönch presste die Lippen zusammen.
»Du kannst jetzt gehen«, sagte Otto. »Ich brauche dich nicht mehr.«
SEPTEMBER 951
BURG CANOSSA
Das letzte Stück stiegen sie ab und führten die Pferde am Halfter weiter, weil der Weg zu steinig und eng war. Der Pfad kroch in vielen Kehren steil nach oben, und als sie schließlich vor der Burg angelangt waren, konnten sie weit über das Land blicken: Hügel, die sich mit Wiesentälern abwechselten, Bäume, ein paar vereinzelte Gehöfte. Hoch über allem thronte Canossa, ein Felsenhorst aus verwittertem grauem Stein.
Sie wurden bereits erwartet. Das Tor ging auf und man führte die kleine Delegation in den Burghof. Obwohl dieser imposante Steinbau nur wenig dem heimatlichen Scharzfels glich, war es doch eine Burg, und Eila überfiel ein Schwall von Erinnerungen. Ihr war unerträglich heiß, und das nicht nur, weil die Sonne heute besonders erbarmungslos von einem dunkelblauen Himmel herunterstach, während sich zu Hause, jenseits der Alpen, sicher bereits die ersten Morgennebel zeigten. Manchmal träumte sie jetzt von der zarten, silbrigen Luft solcher Tage, von der Ahnung des kommenden Winters, in dem alles schlafen würde, um im nächsten Frühjahr zu neuem Leben zu erwachen.
Als der Mann auf sie zukam, mittelgroß und von leicht gedrungener Gestalt, verstand sie plötzlich, weshalb Liudolf es vorgezogen hatte, mit seinen Rittern in der nah gelegenen Stadt Reggio auf ihre Rückkehr zu warten. Schon auf den ersten Blick erschien ihr Heinrich von Bayern wie eine blassere Ausgabe seines königlichen Bruders Otto. Die Ähnlichkeit war unverkennbar, auch wenn die beiden Geschwister äußerlich einiges unterschied. Heinrichs Haar war blond, nicht rötlich, der Brustkorb schmäler, Gesicht und Hals bereits von deutlichen Falten durchzogen, obwohl er an Jahren der jüngere war. Seine Augen waren leuchtend und von einem ungewöhnlichen Veilchenblau – Gerbergas Augen.
Eila spürte, wie ihre Begleiter bei seinem Anblick unruhig wurden, vor allem Sigmar, der darauf bestanden hatte, sie hierher zu eskortieren. Auf ausdrücklichen Wunsch Adelsheids war nur ein halbes Dutzend Ritter zur Begleitung ausgewählt worden, sehr zum Unwillen Raymonds, der eine Falle dahinter vermutet hatte und nur schwerlich von seinem Verdacht abzubringen gewesen war.
»Die Königin möchte dich sprechen«, sagte Herzog Heinrich zu Eila. »Ich werde dich zu ihr bringen.« Sigmar trat einen Schritt vor. »Allein«, fuhr Heinrich fort, ohne die Stimme zu erheben.
Sigmar wollte schon auffahren, aber Eilas scharfer Blick hinderte ihn offenbar daran. Unmutig starrte er zurück. Wenn etwas nicht nach seinem Kopf ging, war er noch immer so störrisch wie früher als Knappe.
»Ich bin bereit«, sagte Eila.
Sie folgte Heinrich in einigem Abstand, weil sie versuchte, so viel wie möglich von der neuen Umgebung wahrzunehmen, und ihr fiel auf, dass hier alles sehr viel nobler und komfortabler war als zu Hause: der Boden mit Quadern aus Stein bedeckt, die Wände mit Teppichen geschmückt, die Kandelaber aus getriebenem Silber.
Vor einer hohen Tür hielt Heinrich inne. »Du sprichst mit einer Königin, Eila«, sagte er. »Das solltest du nicht vergessen!«
Sie neigte den Kopf, atmete tief aus und trat ein. Adelheid saß an einem breiten Tisch unter dem offenen Fenster und schrieb.
»So vieles musste liegen bleiben«, sagte sie, während sie sich erhob und mit freundlicher Miene auf Eila zukam. Sie sprach fließend Deutsch, wenngleich mit einem weichen südlichen Akzent, der allen Sätzen etwas Fragendes verlieh. »Ich werde sehr fleißig sein müssen in der nächsten Zeit, um einigermaßen aufzuholen.« Ihr Lächeln vertiefte sich. »Eila, richtig?«
»Eila, die Tochter des Ritters Raymond von Scharzfels.«
»Dann steht es jetzt also vor mir, mein mutiges, tapferes Ebenbild, dem ich die Freiheit verdanke!«
Eila errötete. Die schöne Dame, die vor ihr stand, bis zu den Füßen in ein schimmerndes grünes Gewand gehüllt, hatte nur noch wenig gemein mit der mageren Gefangenen, die sie aus der Erde gezogen hatte. Von der Figur war allerdings nicht viel zu erkennen, so üppig war der Stoff drapiert. Adelheids Gesicht jedoch war so ausdrucksvoll, dass man es gern ausgiebiger betrachtete: die Augen wach und neugierig, die Nase markant, das
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