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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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übereingekommen, ihn nach Corvey zu bringen«, sagte sie. Den nächtlichen Streit mit Bihilit ließ sie aus guten Gründen unerwähnt. »Dort kann er im Kreis der Schwarzen Brüder langsam genesen. Hier bei uns, unter all den Frauen, hätte er auf Dauer doch nicht bleiben können. Du kennst die Stiftsregeln, Eila. Sie gelten für alle, auch, wenn du früher oft gegen sie rebelliert hast.«
    »Er weiß also kaum noch, wer er ist?« Eila klang verzweifelt. »Hast du denn nicht versucht, ihm zu helfen, solange er hier war?«
    »Natürlich hab ich das!«
    »Und wie hat er reagiert? Hat er dich erkannt? Er muss dich doch erkannt haben, wenigstens das!«
    »Ich denke, alles, was wir sagen oder tun, kommt sehr wohl bei ihm an, aber die Botschaft erreicht ihn nicht. Beinahe, als sei er noch immer unter einem Haufen schwerer Felsbrocken begraben.«
    »Ich muss so schnell wie möglich zu ihm!« Eila war aufgesprungen. »Am besten noch heute!«
    Rose zog sie auf die Bank zurück. »Damit würde ich mir an deiner Stelle lieber noch etwas Zeit lassen.«
    »Weshalb?«
    »Weil du sehr enttäuscht sein könntest«, sagte Rose sanft. »Enttäuschter, als du es womöglich ertragen kannst.«
    »Aber ich muss ihn doch sehen, muss mit ihm reden, ihm sagen, dass ich Sigmar nicht geheiratet habe – ach, zum Glück weiß er ja gar nichts von dieser Sache!« Eila schlug die Hände vor das Gesicht, begann zu weinen. »Ich hätte es mir nie verziehen, Rose, niemals, und war doch schon ganz kurz davor. Glaubst du, Lando kann mir das je vergeben?«
    »Du hattest doch keine andere Wahl!«
    Die Sonne wärmte Rose, die Frühlingsblumen dufteten. Im Gegenlicht sah sie einen gelben Schmetterling, der sich auf der noch kahlen Ginsterhecke niederließ. Noch ein paar warme Tage, und auch sie würde sich in prächtiges Gelb verwandelt haben. Alles erwachte nach dem langen Winter, die gesamte Schöpfung, die sich schmückte zum großen Lob des Allmächtigen. Seitdem sie sich so oft mit Riccardis unterhielt, hatte sie immer häufiger solche Gedanken. Aber der tiefe innere Friede, den sie dabei empfand, passte so wenig zu dem verquälten Gesicht der Freundin.
    Wie konnte sie ihr nur helfen?
    »Doch, diese Wahl hatte ich«, sagte Eila. »Sie wollten, dass ich ihn zum Mann nehme, aber gezwungen dazu hat mich niemand – nicht einmal die Eis… meine Mutter. Es kam eher aus mir, verstehst du, war plötzlich als Gedanke da, woher, kann ich nicht sagen. Das war nicht mehr der tumbe Sigmar unserer Jugendtage. Ich begann ihn zu mögen, war sogar sehr gern in seiner Nähe.« Sie schluckte, redete aber tapfer weiter. »Und wenn er mich berührt hat, dann hat es mich manchmal ganz … sehnsüchtig gemacht.«
    Es war mehr als das gewesen, sehr viel mehr, aber Rose hatte bei diesen Worten auf einmal das Gesicht so seltsam verzogen. War sie bereits zu weit gegangen?
    Rose erlöste sie durch fröhliches Gelächter.
    »Ach, jetzt glaubst du, ich hätte vergessen, dass es etwas zwischen Männern und Frauen gibt, nur weil ich einen Schleier trage?«, sagte sie. »Das, was dir mit Sigmar widerfahren ist, nennt man Liebe, Eila.« Sie wurde wieder ernst.
    »Nein«, sagte Eila und freute sich über das Gewicht des eisernen Ringes an ihrer Hand. »Liebe ist das, was mich mit Lando verbindet.« Ihr Blick ging in die Ferne. »Und mit meinem Vater, wenngleich die Liebe zu ihm natürlich ganz anders ist. Seinetwegen bin ich nicht beim Hofstaat geblieben und hab die Königin enttäuschen müssen. Ich hätte es nicht ertragen, ihn so allein und verzweifelt in Liudolfs Lager zu wissen – auch wenn der früher oder später dem König unterliegen wird.«
    Sie schien zu spüren, dass sie mehr und mehr ins Leere redete, weil die andere nur noch schwieg.
    »Verstehst du mich überhaupt, Rose?«, fügte sie hinzu. »Oder spreche ich zu sehr in Rätseln?«
    »Jetzt bist du dran mit Erzählen«, sagte Rose. »Danach wird es leichter für mich sein, alles zu verstehen.«

    Als sie sich nach der Vesper in ihre Zelle zurückzog, schwirrte Rose der Kopf von all den Menschen und Geschichten, die Eila vor ihr ausgebreitet hatte wie ein buntes, vielfach verschlungenes Geflecht. Die stillen, glücklichen Momente, in denen sie die Gottesmutter anrief, um den vergangenen Tag ebenso wie die anstehende Nacht ganz in ihre Hände zu legen, waren für sie mittlerweile unverzichtbar geworden. Heute freilich konnte sie sich nicht so versenken wie gewohnt; immer wieder stiegen Bilder vor ihr auf, prall und

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