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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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vor?«
    »Aus dem Leben der Gottesmutter«, erwiderte Rose. »Nach einem geheimen Evangelium. Man sagt, Jakobus habe es verfasst, und dann sei es versteckt gewesen, an einem geheimen Ort, viele Jahrhunderte lang. Die Abschrift befindet sich noch nicht lange hier. Gerberga hat mich vor einiger Zeit mit ihr vertraut gemacht. Manchmal wünschte ich, sie wäre endlich schon unsere Äbtissin und nicht die strenge Bihilit, die immer alles und jeden überwachen muss.« Sie atmete tief aus. »Gefallen dir die Verse?«
    »Hätte ich damals nur besser aufgepasst bei Bruder Rochus’ öden Lateinlektionen«, sagte Eila. »Aber ich hab immer nur an Lando denken müssen. Einzelne Worte verstehe ich natürlich noch, aber der Rest verschwimmt in meinen Ohren und vor allem in meinem Kopf.«
    »Willst du die Übersetzung hören?«
    Eila nickte.
    » Himmelskönig, der Du allein die Sterne benennst, / würdige, Himmlischer, dieses zarte und liebliche Mädchen. / Gib ihr, ich flehe Dich an, einen Namen durch schimmernde Zeichen. / Sprach es, und plötzlich erklangen, ertönten gewaltige Worte, / aus der Höhe, verkündend, das Mädchen Maria zu heißen – Stella Maris. / Diesen Namen empfing es zu Recht, das heilige Mädchen, / weil sie der leuchtende Stern ist, der glänzt und funkelt auf ewig, / in der strahlenden Krone des Christus, des ewigen Königs .«
    Rose ließ das Pergament sinken.
    »Weiter bin ich leider noch nicht«, sagte sie. »Obwohl ich schon seit Monaten daran arbeite. Meistens nachts, wenn das Stift und die Welt schlafen, dann kommen mir die besten Einfälle. Aber sobald ich anderentags das Geschriebene lese, verwerfe ich es wieder und muss von Neuem beginnen. Weil es doch für SIE ist!«
    »Du hast es für sie gedichtet?«, sagte Eila bewegt. »Es ist wunderschön, Rose!«
    »Für SIE, ja. Und weißt du, was bisweilen geschieht, Eila? Ich hab es noch nie jemandem erzählt, du aber sollst es wissen. Manchmal gibt es keine Grenze mehr zwischen mir und den Worten. Es ist wie ein Fieber, wie ein tiefes Gebet oder eine heilige Ekstase. Ich höre auf zu existieren, während ich schreibe, und fühle mich gleichzeitig lebendiger als jemals zuvor.«
    »Dann schämst du dich jetzt nicht mehr, dass sie dich geboren hat?«
    »Du meinst Marja?« Rose schüttelte den Kopf. »Mein Vater verleugnet mich, und das tut noch immer weh. Aber ich weiß jetzt, dass ich zwei Mütter habe, und auch, dass ich mich niemals zwischen ihnen entscheiden muss. Eine irdische, die mich in ihr dunkles Haar gewickelt hat. Und eine himmlische, die mich niemals verlassen wird.«
    »Mit diesem Wissen bist du sehr viel reicher, als ich es jemals war«, sagte Eila leise.

OSTERN 952
MAGDEBURG
    Seit drei Tagen warteten Berengar und sein Sohn Adalbert in einer Herberge unten in der Siedlung. Oben, am Steilufer der Elbe, wuchs der königliche Bau schneller als alles, was man hier je zuvor hatte entstehen sehen; auf Druck der Hofkapelle wurden die Arbeiten mit besonderer Eile vorangetrieben. Etwas Neues, Schönes, Großartiges aus mächtigem Stein kündigte sich an. Bald schon würde das Moritzkloster nicht einmal mehr als Notunterkunft dienen müssen. Dann konnte der König der Franken und der Langobarden, wie Otto jetzt seine Urkunden unterzeichnete, in den neuen Räumen seiner Lieblingspfalz prächtig Hof halten.
    Die Luft schien zu knistern, als die beiden Fremden endlich in das Kloster vorgelassen wurden. Otto hatte in einem der ebenerdigen Räume seine vertrauten Ritter um sich geschart, dazu seinen Bruder Heinrich, Pater Johannes und natürlich Adelheid, die neue Königin.
    Ihre Miene blieb unbewegt, als ihr Peiniger näher kam, wie ein stiller, klarer See, in den die Sonne fällt, nur die dünnen Lider begannen leicht zu flattern. Sie sah jung aus, anmutig, blühend. In dem hellblauen Kleid mit dem breiten, goldbestickten Band unter den Brüsten war die Schwangerschaft mehr zu ahnen als zu sehen, und doch umgab sie eine Aura warmer Mütterlichkeit. Adelheid hatte auf Schleier und Gebände verzichtet und zeigte ihr helles lockiges Haar, das seit dem letzten Sommer ein Stück nachgewachsen war, die Schultern aber noch immer nicht erreichte: Zeichen ihrer einstigen Schmach.
    Berengars Gesicht wurde noch finsterer, als er begriff, dass niemand anderer als sie die Übersetzerin sein sollte. Vielleicht gab das mit den Ausschlag, dass sich schon nach den ersten Worten die gegensätzlichen Standpunkte verhärteten. Die beiden Männer aus dem Süden hatten

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