Liebe ist ein Kleid aus Feuer
einzuschieben, war waghalsig. Doch ihm blieb keine andere Wahl. Auf einen bloßen Befehl hin würde der Schmied Algin niemals nach Quedlinburg reiten und seine Familie im Ungewissen zurücklassen. Und obwohl er persönlich mit seinen Männern dieses Opfer einfordern kam, konnte er nicht sicher sein, dass der stolze Schmied sich auch fügte.
Zum Glück war Gissel mit dem größten Teil der Kriegsknechte und der gesamten Ausrüstung bereits auf dem Weg nach Quedlinburg; Raymond hatte nur eine Hand voll seiner Männer für die schwierige Mission zurückbehalten. Sie alle schienen zu spüren, wie es in ihm arbeitete, und hielten respektvoll Abstand. Und als er sie ungeduldig anraunzte, ob sie denn niemals ankommen wollten, gaben sie ihren Rössern die Sporen und gehorchten ohne Murren.
Wie bei seinem ersten Besuch dämmerte es, als sie Tilleda erreichten; wie vor wenigen Wochen wurden sie von den Wachen am großen Tor angehalten, und Raymond musste abermals das Königssiegel vorzeigen, damit man sie einließ. Unwillkürlich hatte er die ganze Zeit über nach Lando ausgeschaut, aber der Junge war nirgendwo am Wall zu sehen. Sie hielten sich nicht weiter auf, sondern ritten geradewegs zur Schmiede.
»Ihr wartet draußen!« Raymond saß ab. »Bis ich euch rufe.«
Die Tür stand offen, aber dichter, dunkler Qualm quoll heraus und ließ ihn zurückweichen.
»Feuer!« Er schlug gegen die offene Tür und begann zu husten. »Ihr müsst sofort löschen!«
Da hörte er Algin drinnen rufen: »Schieb die Kohlen auseinander, Lando! Mach schon! Und du da draußen lass meine Tür gefälligst in Ruhe, verstanden?«
Die Schwaden wurden langsam heller, und jetzt konnte Raymond eintreten.
»Was ist geschehen?«, sagte er statt einer Begrüßung.
»Der Abzug.« Algin wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Wieder einmal! Schlechter Wind und ein kalter Luftpfropfen im Kamin. Wenn man dann kein feines, rauchfreies Feuer zustande bringt, nicht wahr, mein Sohn, ist es schon passiert.« Sein Kinn versteifte sich. »Aber du bist sicherlich nicht gekommen, um dich um meinen Abzug zu kümmern.«
»Du siehst, was ich hier in meinen Händen habe?« Raymond streckte ihm das Schreiben Ottos entgegen und drückte dabei die beiden Hälften des erbrochenen Siegels aneinander.
»Das Königssiegel«, sagte Algin. »Natürlich erkenne ich es. Aber wieso hältst du es ausgerechnet mir vor die Nase?«
»Weil es ein Schreiben versiegelt hat, in dem von dir die Rede ist.«
Algins Blick bekam etwas Ungläubiges.
»Ein Schreiben der Hofkanzlei«, fuhr Raymond fort, »das dir befiehlt, mich nach Quedlinburg zu begleiten. Ab sofort stehst du in meinen Diensten. Für deine Familie wird ebenfalls gesorgt. Ein Karren soll sie nach Burg Scharzfels bringen.«
»Königsfreie wie uns kann niemand zu etwas zwingen!«
»Der König kann es«, sagte Raymond. »Und er tut es mit eben diesem Schreiben.«
»Dieser Brief – dann kann er nicht von ihm stammen.«
»Überzeug dich mit eigenen Augen!« Raymond streckte ihm erneut das gefaltete Pergament entgegen, aber Algin machte keine Anstalten, danach zu greifen.
»Ich kann nicht lesen«, sagte er. »Und das weißt du ganz genau. Aber ich glaube dir trotzdem nicht – nicht ein einziges Wort.«
»Wir könnten Bruder Rochus fragen«, schlug Lando vor, der bislang stumm geblieben war und ängstlich von einem zum anderen geschaut hatte. »Du weißt schon, Vater, der Mönch, der mit seinem Esel und den vielen eingewickelten Pergamentrollen seit ein paar Tagen das oberste Grubenhäuschen bewohnt. Lauter alte Schriften, die unter keinen Umständen nass werden dürfen. Der kann uns sicherlich weiterhelfen.«
»Hol ihn her!«, sagte Algin, ohne Raymond aus den Augen zu lassen. »Und beeil dich, Lando!«
Als der Junge hinausgestürzt war, wurde es still in der Schmiede. Immer noch roch es beißend. Algin stand bewegungslos, die Arme hingen kraftlos an ihm herab.
»Weshalb tust du das?«, fragte er schließlich. »Es gibt genügend Schmiede im Land.«
»Ich will nicht irgendeinen Schmied«, sagte Raymond. »Ich will den besten.« Sein Blick schweifte umher. »Wieso fängst du nicht schon mal an zusammenzupacken? Wir beide ziehen bald gemeinsam in den Krieg. Da wirst du dein bestes Werkzeug brauchen.«
»Ich denke nicht daran!«
»Ich habe genügend kräftige Packpferde da draußen. Die können all deine Gerätschaften tragen. Belle ist übrigens wieder gesund und frisch beschlagen. In der Schlacht werde
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