Liebe ist ein Kleid aus Feuer
ich sie reiten.« Raymond fasste ihn scharf ins Auge. »Und mit deinen Waffen all unsere Feinde schlagen.«
»Hat der König auch geschrieben, dass ich dir mein Schwert aushändigen muss?«, kam es bitter zurück. »Steht das ebenfalls auf deinem Pergament?«
»Lehn dich nicht gegen mich auf, Algin!«, sagte Raymond warnend. »Das ist noch den Wenigsten gut bekommen.«
Sie schwiegen, bis Lando angerannt kam.
»Bruder Rochus wird gleich hier sein«, stieß er atemlos hervor. »Er wollte zunächst nicht, aber ich hab ihn doch überreden können.«
Jetzt schien die Zeit sich zu dehnen, und die beiden Männer vermieden es, sich anzusehen. Raymond wie Algin schienen erleichtert, als endlich der Angekündigte eintraf, ein magerer Mann mit Habichtsnase und wirren schwarzen Locken, die seine Tonsur beinahe überwucherten. Sein linkes Auge verdeckte eine graue Binde. Die gegürtete Kutte, die er trug, war zu weit und starrte vor Schmutz.
»Du willst ein Mönch sein?« Raymond beäugte ihn misstrauisch. »Für mich siehst du eher aus wie ein Bettler.«
»Und doch habe ich Gott nach den Regeln des heiligen Benedikt gedient, so lange, bis mein Kloster niedergebrannt wurde, ich die Heimat verlor und mir nichts anderes blieb, als zu retten, was noch zu retten war.« Sein gesundes Auge funkelte in hellem Grün. »Wo ist das Schreiben?«
Raymond reichte es ihm zögernd.
»Du kannst dich auf mich verlassen«, sagte Bruder Rochus. »Mit dem einen, das sie mir freundlicherweise gelassen haben, sehe ich tadellos. Ich beginne also: In nomine sancte et individue trinitatis. Otto gratia Dei rex … « Er sah auf. »Es stammt tatsächlich vom König. Aber es ist lateinisch verfasst«, sagte er. »Versteht einer von euch Latein?«
»Nein, aber du doch sicherlich, vorausgesetzt, du bist tatsächlich ein Mönch«, sagte Raymond in harschem Ton. »Übersetze, wenn du kannst!«
» Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit. Otto, durch Gottes Gnade König. Algin, unser geliebter Getreuer und Hofschmied sei gegrüßt .« Die Stimme des Mönchs war tief und kräftig genug, um ein Kirchenschiff zu füllen. » Wir befehlen dir, dass du dem Getreuen Raymond von Scharzfels, der uns in seiner Hilfe stets treu gewesen ist, erfüllst, was auch immer er wünscht. Leb wohl!«
Ein seltsamer Laut drang aus Algins Brust. Dann drehte er sich langsam zur Wand, als plagten ihn innere Schmerzen, und holte das Schwert herunter.
»Nimm es, Lando!«, sagte er, während er es dem Sohn reichte. »Und pass gut darauf auf, bis ich wiederkomme!« Mit steinerner Miene wandte er sich an Raymond. »Soll dieser halbwüchsige Junge damit seine Mutter und den Säugling unterwegs vor Räubern bewahren? Belohnst du so unsere Gastfreundschaft?«
Raymond wandte ihm den Rücken zu und betrachtete den Mönch mit neu erwachtem Interesse.
»Du hast viele Schriften bei dir, sagt der Junge.«
»So einiges, ja.«
»Wertvolle Schriften?«
Ein Achselzucken.
»Und du suchst offenbar eine neue Heimat.«
»So könnte man sagen.«
»Kannst du außer Latein noch weitere Sprachen?«
»Das Griechische leidlich. Dazu ein paar Worte Hebräisch, ferner Algebra, Grammatik und Rhetorik. Ich hab die meiste Zeit bei uns im Scriptorium gearbeitet. Pergament, Feder und Tinte sind mir vertraut. Wieso willst du das eigentlich alles so genau wissen?«
»Unter Umständen bist du mein Mann«, sagte Raymond, »sowie der Beschützer dieser Schmiedfamilie.« Das galt Algin. »Denn natürlich würde ich niemals zulassen, dass sie in Gefahr gerät oder Wegelagerern schutzlos anheimfällt.« Nun war wieder der Mönch an der Reihe. »Komm mit nach draußen! Wir beide haben zu reden.« Er wandte sich abermals an den Schmied. »Und du, fang endlich an, zusammenzupacken! Alles, was sich mitnehmen lässt, jede Zange, jeden Hammer, jeden Nagel. Meine Männer sollen dir helfen. Beeilt euch! Wir haben schon genug Zeit verloren.«
Raymond ging hinaus und zog den Mönch mit sich, scheinbar ohne von Gunna Notiz zu nehmen, die schnellen Schritts vor der Schmiede angelangt war, wie stets ihr Kleines auf dem Rücken. Und doch hatte ihn ihr verletzter Blick, in dem sich Zorn und Enttäuschung mischten, tief getroffen.
APRIL 946
BURG SCHARZFELS
Der würzige Geruch kam aus der Küche und schien in alle Ritzen der Burg zu sickern. Eila hielt mitten im Brettspiel inne und ließ ihren weißen Stein unschlüssig in der Luft verharren.
»Das Kind ist da.« Sie begann zu lächeln. »Es ist endlich da
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