Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
uns sein.«
    »Viel kommt jetzt ohnehin nicht mehr dazu«, sagte der Meier. »Die beiden Alten dort drüben sind die Letzten, die ihren Zehnt abzuliefern haben.«
    Der Mann schleppte schwer an seinem Korb, den er auf dem Buckel trug, und sein Weib, das einen Leiterwagen, beladen mit Mehlsäcken, hinter sich herzog, keuchte nicht minder. Gunna, die Rochus und die beiden Männer mit Met und Wasser erfrischt hatte, bekam bei ihrem Anblick Mitleid.
    »Habt ihr denn keine Söhne, die euch diese Arbeit abnehmen können?«, fragte sie.
    »Den einzigen, der uns geblieben ist, hat vor zwei Jahren auf freiem Feld der Blitz erschlagen«, sagte die Frau, während ihr Mann stumm die Säcke ablud. »Seitdem ist Vater nicht mehr derselbe. Nachts steht er auf, weil er sagt, er höre Hans rufen. Unser Hans ist doch bestimmt im Himmel. Glaubst du denn, man kann hier auf Erden jemanden aus dem Himmel rufen hören?«
    »Warum nicht?«, sagte Gunna, der aufgefallen war, wie begehrlich die Frau ihr Geschirr beäugte. Vielleicht würde sie das von ihrer traurigen Geschichte ablenken. »Dir gefällt mein Krug?«
    »Den hast du gemacht?« Jetzt endlich wagte sie es, Gunnas Male so neugierig anzustarren, dass ihr beinahe die Augen herausfielen.
    »Den und vieles andere mehr.« Gunna lächelte. »Ich hab brauchbaren Ton gefunden, gar nicht weit von hier entfernt. Seitdem singt meine Töpferscheibe mit mir um die Wette.«
    Sie schaute über den Hof, wo Lando vor der Schmiede saß und seine kleine Schwester auf dem Schoß hatte. Sie stutzte, sah noch einmal genau hin.
    Lenya saß aufrecht. Ganz ohne Hilfe. Zum ersten Mal in ihrem jungen Leben. Gunna freute sich, aber da gab es plötzlich auch etwas Wehes, das ihr Herz umklammert hielt. Bald würde Lenya krabbeln, dann laufen. Sie würde groß werden, einen Mann finden, einen Hausstand gründen. Irgendwann würde sie sie verlieren, ebenso wie Lando. Manchmal hätte Gunna am liebsten die Zeit angehalten, um diesen gefürchteten Augenblick so lang wie möglich hinauszuschieben.
    »Pass auf, Lando!«, rief sie mahnend. »Du musst sie gut festhalten. Nicht zu viel auf einmal!«
    »Alte Glucke!«, rief Lando strahlend zurück. »Siehst du nicht, wie stark und stolz sie ist, dass sie es endlich allein kann?«
    »Deine Kinder?« Der Mund der alten Frau verzog sich schmerzlich.
    Gunna nickte.
    »Gott muss dich sehr lieben.« Die Augen der Frau wurden nass.
    »Deshalb hat er mich bestimmt auch gezeichnet, damit er mich unter all seinen Schäfchen schneller findet. Nimm den Krug!« Gunna drückte ihr das Gefäß in die Hand. »Ich schenk ihn dir. Und diese beiden Becher dazu, wenn du magst. Wenn Vater nachts mal wieder nicht schlafen kann, dann brühst du ihm darin Melissentee auf. Dann wird er sicherlich Ruhe geben.«
    »Bist du die neue Herrin?« Der Mund der Alten wollte gar nicht mehr zugehen. »Ja – das musst du sein! Die Leute sagen, die vorherige habe in einer dunklen Nacht der Leibhaftige zu sich geholt. Jetzt hockt sie in der Hölle bei ihren toten Kindern und grämt sich bis in alle Ewigkeit. Doch weinen kann sie nicht, denn Teufelinnen wie sie haben keine Tränen.«
    »Nein, das ist sie nicht«, ertönte plötzlich eine herrische Stimme. Alle fuhren zusammen, so leise war Oda näher gekommen, in ihrem lichtblauen Gewand mit dem hellen Haar eine glänzende Erscheinung, die die Blicke auf sich zog. »Sie ist nur Gesinde, nichts weiter. Auch, wenn sie manchmal ein dreistes Mundwerk führt.«
    Sie kam der Alten so nah, dass diese kaum noch zu atmen wagte.
    »Du stinkst«, sagte Oda angewidert. »Kein Wunder bei der Gülle, die dir aus dem Maul quillt. Ich bin die Herrin – niemand sonst. Präg dir das gefälligst ein in deinen dummen Schädel, und wage nicht, es wieder zu vergessen. Sonst zeig ich dir, was Hölle ist, das versprech ich dir!«
    Mit dem Fuß versetzte sie dem Leiterwagen einen Stoß.
    »Und jetzt verschwindet von meiner Burg«, sagte sie. »Ich bin es gründlich leid, dieselbe Luft mit euch zu atmen.«
    Der Bauer packte seine Frau, die Gunnas Geschirr umklammert hielt, und lief dem Leiterwagen nach, so schnell seine krummen Beine es erlaubten.
    »Und nun zu dir!« Oda wandte sich an Gunna. »Ich mag es nicht, wenn du dich gönnerhaft aufführst. Geh lieber an deine Arbeit, und zwar schnell!«
    »Das tue ich.« Gunna hielt Odas kaltem Blick furchtlos stand. »Und schaffe Tag für Tag um vieles mehr, als ich eigentlich müsste. Ich mag es nicht, wenn jemand urteilt, ohne Bescheid zu

Weitere Kostenlose Bücher