Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
wir Musik hörten und Kaugummi kauten, ein vertrautes Abendessen hinter uns hatten und der Wind uns durch die Haare blies. Als ich damals im Bett lag, versuchte ich, mir sein Gesicht ins Gedächtnis zu rufen. Im vergangenen Jahr gab es Momente, in denen ich das Gefühl hatte, ihn an jenem ersten Abend besser gekannt zu haben als an jedem anderen Punkt in unserer Freundschaft – diesen komplizierten Charakter, der so viel Unterstützung und Verständnis braucht. Wenn ich gerade nicht so froh wäre, neben ihm auf den Beifahrersitz zu sitzen, dann wäre ich jetzt ganz niedergeschlagen. Womöglich sehe ich ihn nie wieder, wenn er nächste Woche nach Asien fliegt.
Dabei fällt mir ein: »Hey, brauchst du jemanden, der dich am Dienstag zum Flughafen fährt?«
»Ja!«, antwortet er und ergreift meine Hand. »Danke, dass du gefragt hast!« Er drückt meine Hand und lässt sie dann wieder los. Ich blicke aus dem Fenster, obwohl ich seine Berührung im ganzen Körper spüre.
Vom Parkplatz aus ruft er einen Patienten an und bittet mich, schon mal ins Restaurant zu gehen, wo sein Steuerberater an der Bar wartet. »Er heißt Dick«, fügt er noch hinzu. Na toll.
Dick und ich machen Small Talk, aber als Chris kommt, schwirrt mir bereits der Kopf. »Er scheint zu glauben, dass ich deine Buchführung mache, Chris«, sage ich wütend. »Wenn es nicht anders ginge, würde ich es ja machen, aber ich fürchte, das übersteigt meine Fähigkeiten.« Er meint, ich solle mir keine Sorgen machen. Im Gespräch geht es um internationale Steuergesetzgebung und andere Themen, die mir völlig fremd sind.
»Wann wollen Sie Ihre Abrechnungen abgeben?«, fragt Dick.
Ich lehne mich an Chris. »Dick, er wird es erledigen, wenn es nötig ist. Chris lässt nie etwas unerledigt.« Irgendwie hat meine Hand die warme Stelle zwischen Chris’ Schulterblättern gefunden. Dort bleibt sie liegen. Ich spüre seine trainierten Muskeln unter seinem Hemd. Chris rührt sich nicht … aber vielleicht sind zwei Chardonnays auch genug für mich. Mir wird bewusst, dass ich vor acht Stunden zum letzten Mal etwas gegessen habe. »Ich bin am Verhungern«, flüstere ich.
Chris nickt. »Wir essen, wenn Dick gegangen ist.« Aber Dick geht nicht, und letztendlich schlingen Chris und ich auf unseren Barhockern etwas herunter.
Auf dem Weg nach draußen zeige ich ihm das Bild von mir und Giada De Laurentiis, das bei Luigi an der Wand hängt. »Unsere Familien stammen aus der gleichen Gegend in Italien.«
»Das ist unglaublich. Ihr beide könntet Schwestern sein.«
Lachend erwidere ich, dass er mir gerade das schönste Kompliment gemacht hat, weil Giada De Laurentiis in meinen Augen die schönste Frau im Universum ist.
»Ja, wie gesagt«, entgegnet er verlegen, »ihr beide könntet Schwestern sein.«
Zum ersten Mal hat er etwas über mein Aussehen gesagt. Bisher wusste ich nicht einmal, ob er mich attraktiv findet. Dabei teile ich mit jeder anderen Frau auf der Welt die Sehnsucht, dass der Mann, den ich will, mich begehrenswert findet; ich möchte für meine Schönheit und meinen Geist begehrt werden. Das ist das Grundbedürfnis jeder Frau, und ich finde, Chris hat ziemlich lange gebraucht, um es zu erfüllen … aber jetzt hat er es endlich getan. Er öffnet mir die Autotür und hält meine Hand, als ich einsteige, wie bei unserer ersten Verabredung. »Danke, Chris.«
In der Einfahrt vor dem Haus meiner Eltern tritt er nach hinten an seinen SUV und holt meine Tasche heraus. Gemeinsam gehen wir zur vorderen Veranda, und als ich die Haustür öffne und ins Haus trete, stellt er die Tasche hinein. Einen Moment lang bleibt er auf den Stufen stehen, die Hände in die Taschen gesteckt. »Gute Nacht, Kris.«
»Gute Nacht.« Ich schließe die Tür und blicke ihm nach, wie er zu seinem Wagen geht. Morgen helfe ich ihm zum letzten Mal in der Praxis … und danach weiß ich nicht, wann ich ihn wiedersehen werde.
Ich warte, bis er um die Ecke gebogen ist, bevor ich die Außenbeleuchtung ausschalte. Zum zweiten Mal an diesem Tag fühle ich mich wie bei unserer ersten Verabredung. Auch an jenem Abend hat er mir die Autotür geöffnet. Eine Geste, mit der er seine Sorge um mich und um mein Wohlbefinden und seine Freundlichkeit mir gegenüber demonstriert. Sie zeigt mir, dass er dazu fähig wäre, mit mir zusammen zu sein, aber seine Arbeit kommt immer an erster Stelle.
Dies ist das einzige Dilemma, das selbst Grandmas Ratschläge nicht lösen können. Ich ignoriere das Bellen
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