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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Blutdruck Marius Callac hatte. Er griff jedenfalls nach hinten in ein Regal, holte ein zweites schlankes Glas und goß es bis zur Hälfte voll Kognak.
    »Ich trinke Tee und Kognak seit zweiundsechzig Jahren«, sagte er dabei. »Nicht Rum … Kognak. Französischen Kognak. Ich bin Patriot.« Er nippte an dem heißen Tee und kippte dann den Kognak hinunter. Die Art, wie er ihn trank, bewies wirklich eine generationslange Übung. »Er hat mich aufrecht gehalten«, sagte er hinterher.
    Ev nickte. Der plötzliche Einblick in seine Menschlichkeit, dieses Lüften eines Zipfels seiner über das Privatleben gebreiteten Decke machte sie stumm. Sie empfand so etwas wie Ehrfurcht, als habe man vor ihr ein viel bewundertes Denkmal enthüllt.
    Sie trank ihren Kognak mit vier kleinen Zügen, und Callac sah ihr zu, durch seine dicken Brillengläser und schwieg auch. Es wirkte, als beobachtete er Ev durch ein starkes Fernglas.
    »Was verlangen Sie?« fragte er plötzlich.
    Sie ließ das Glas fast auf den Tisch fallen und holte tief Atem. »Sie stellen mich an?« sagte sie atemlos.
    »Ich habe lediglich gefragt, was Sie als Gehalt verlangen.«
    »Tausend Francs.«
    »Dafür kann ich mir einen Computer mieten. Mademoiselle, wenn Ihnen Madame Lebrun das eingeredet hat …«
    »Das hat sie nicht, Monsieur. Sie hat nur gesagt, daß Sie die Hälfte des Tarifs zahlen oder lieber alles mit der Hand schreiben.«
    »Das hat sie gesagt?« Callac griff zur Flasche und schenkte sich noch einen Kognak ein. Das wußte bisher niemand, nicht einmal Madame Coco, daß der alte Callac in seinem Hinterstübchen ein Verhältnis mit altem französischem Kognak eingegangen war. »Es ist eine Lüge, Mademoiselle. Ich habe eine Schreibmaschine. Eine gute! Sie kostet zehntausend Francs!«
    Er trank wieder, mit dem unnachahmlichen Charme eines Genießers, wie nur Frankreich sie hervorbringen kann. Ev sah sich in dem Büro um. Die Unordnung war verheerend, aber irgendwie genial. Callac fand sich hier zurecht … bei mustergültiger Ordnung wäre er verloren gewesen.
    Callac verstand ihren Rundblick und goß ihr noch einen Kognak ein, diesesmal bis zum Rand. Es war ein stummes Kompliment, eine Art sich anbahnender Kumpanei.
    »Sechshundert –«, sagte er. »Für halbtags.«
    »Diese Zahl nannte auch Madame.« Evs Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Ich bekomme innen blaue Flecken, dachte sie. Herz, hör auf, mich gegen die Rippen zu schlagen!
    »Was hat Ihnen Madame von der Camargue erzählt?«
    »Nichts. Nur, daß ich Sie von ihr grüßen soll.«
    »Kennen Sie die Camargue, Mademoiselle?«
    »Leider nicht, Monsieur.«
    »Ein Stück Land, in dem man sich wünscht, eine Wurzel zu sein, um nie diese Erde zu verlassen.« Er blickte auf den Fernsehschirm. Zwei Herren hatten die Galerie betreten. Callac kannte sie. Der Comte de Paissy und ein Fabrikant aus Bordeaux, der jeden Monat seine Geliebte in Neuilly besuchte und bei dieser Gelegenheit, durch und durch beschwingt, ein Bild oder eine Plastik bei Callac kaufte. »Sechshundert? Überlegen Sie es sich, Mademoiselle. Ich werde in der Galerie gebraucht.«
    Callac griff wieder hinter sich in das Regal, holte eine primitive Munddusche heraus, einen Gummiball mit einem Röhrchen daran, spritzte sich Mentholsaft in den Rachen, vertrieb damit den Kognakgeruch und erhob sich würdevoll.
    Im Fernsehschirm sah Ev kurz darauf, wie er die beiden Herren sehr reserviert begrüßte – der große Callac hatte es nicht nötig, zu katzbuckeln – und sie zu einer Wand führte, wo einige Glanzstücke der Galerie hingen.
    »Ich nehme an, Monsieur«, sagte Ev zu dem Fernsehbild, »Sie sind gar kein Ekel, Sie haben nur Angst vor Ihrer Seele, Monsieur …«
    Sie trank das Glas leer, zog den Mantel aus und ging an die Arbeit.
    Sie machte die Morgenpost auf und ordnete sie.
    *
    Wladimir Andrejewitsch saß bei Madame in der Küche, aß ein großes Stück Butterkuchen, trank Kaffee aus einer riesigen, bunt bemalten Henkeltasse und fühlte sich wohl.
    Er hatte eine anstrengende Nachtschicht hinter sich und jetzt bis zum Nachmittag frei. Sein Vater, russischer Fürst, General und Taxibesitzer, hatte den zweiten Mann ans Steuer gesetzt, einen Alexander Metwejewitsch Sawarin, dessen Vater 1918 noch riesige Besitzungen bei Kasan besessen hatte und ein Graf gewesen war. Nach der Flucht war er in Paris regelrecht verhungert, unter der Pont d'Alexandre III., ein Clochard reinster Sorte, aber standesgemäß, wie er betonte. Er hatte sich nie damit

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