Liebe ist staerker als Haß
zogen.
Zared wurde allmählich ungeduldig, denn Severn und seine Männer mühten sich schon seit einer Stunde, die Wagen wieder flottzumachen. Sie waren bereits in der Nähe von Marhalls Gebiet, und Zared fieberte darauf, dort anzukommen und die Zelte aufzuschlagen. Während des dreitägigen Turniers würde Marshall für ihr leibliches Wohl sorgen. Morgen früh sollte die Prozession stattfinden. Dann würden sämtliche Ritter auf ihren herrlichen Rössern vor den Tribünen erscheinen und Hugh Marshall und seinen Töchtern ihren Gruß entbieten.
Immer wieder fragte sich Zared, wie Lady Anne wohl aussehen und wie sie sich mit Rogan und seiner Gattin vertragen würde. Nie kam es ihr in den Sinn, daß es Severn möglicherweise nicht gelingen könnte, Lady Annes Hand zu gewinnen. Sie glaubte fest daran, daß ihr Bruder alles bekommen würde, was er haben wollte.
Zared hörte als erste die sich nähernden Reiter. Sie wußte genau, was sie zu tun hatte. Sie stieß einen leisen, aber durchdringenden Pfiff aus, der Severn warnen sollte, rannte zum nächsten Baum, packte den untersten Ast und schwang sich hinauf.
Manchmal ärgerte es sie, daß sie sich auf Geheiß ihres Bruders beim geringsten Anzeichen einer Gefahr verstecken mußte. Aber nach ihrer nicht lange zurückliegenden Begegnung mit den Howards dachte sie nicht mehr an Ungehorsam.
Als der erste Reiter vorbeikam, befand sich Zared schon hoch über dem Erdboden. Mißgünstig sah sie, daß es eine dumme Lady war, die da heranpreschte. Sie hatte die Zügel verloren und klammerte sich verzweifelt an ihr Pferd. Zared wäre gern wieder heruntergeklettert, wagte es aber nicht, bevor ihr Severn das Entwarnungszeichen gab.
So spähte sie zwischen den Zweigen hindurch zu Severn und seinen Männern hinüber. Sie hatten die Schwerter gezogen und waren kampfbereit.
Severn war von Kopf bis Fuß mit Schlamm überzogen. Dennoch sah Zared, wie er die Reiterin mit seinen Blicken verschlang. Wenn ein Mann so idiotisch starrte, konnte es nur daran liegen, daß es sich um eine hübsche Frau handelte. Zared verdrehte die Augen. Jetzt mußte sie wahrscheinlich den ganzen Nachmittag im Baum hocken, nur weil Severn der Frau den Hof machen würde.
Severn rannte dem durchgegangenen Pferd geradewegs entgegen. Zared sah der Szene recht gleichgültig zu. Das Pferd stieg vorn hoch. Doch Severn duckte sich unter den Hufen, um die Zügel zu fassen.
»Er wird totgetrampelt werden!«
Der plötzliche Aufschrei unter ihr erschreckte Zared so, daß sie beinahe von ihrem luftigen Sitz im Baum gefallen wäre. Zu ihren Füßen hielten drei Ladys und zwei Männer zu Pferde, alle in Samt und Pelze gekleidet. Sie hatte nur auf Severn geachtet und sie deshalb nicht kommen sehen. Jetzt verwünschte sie ihre eigene Unachtsamkeit.
»Was macht das schon?« sagte einer der beiden Männer. »Es ist doch nur irgend so ein Bauer.«
Der andere drehte sich um. »Es ist schlimm genug ...«, er machte eine Kunstpause, »... wenn sein Blut Flecken auf dem Kleid von Mylady hinterläßt!«
Alle lachten.
Ohne zu überlegen, zog Zared das Messer aus dem Stiefel und machte sich zum Sprung fertig. Doch ein letzter Rest von gesundem Menschenverstand hielt sie davon ab. Wie versteinert saß sie da, starrte wild hinunter und versuchte sich die Gesichter einzuprägen.
»Oh, seht nur«, sagte eine der Frauen, »er hat die Zügel ergriffen! So einen mutigen Bauern habe ich noch nie gesehen. Glaubt ihr, daß Lady Anne ihn dafür belohnen wird?«
Zared versuchte, durch die Zweige spähend, das Gesicht der Lady zu erkennen, aber die wandte ihr gerade den Rücken zu. Severn machte ein noch blöderes Gesicht als zuvor. Daraus war zu schließen, daß Lady Anne höchst sehenswert sein mußte. Sie wünschte, ihr Bruder hätte nicht so viel Dreck im Gesicht. Lady Anne schien ihn nicht gerade anziehend zu finden, denn sie bog sich vor ihm zurück.
»Danke«, hörte Zared Lady Anne sagen.
»Es war mir ein Vergnügen, einen so hübschen Hals zu retten.«
»Hör mal, du frecher Hund!« sagte der Mann unten. »Dich werde ich lehren ...«
»Er sieht aber nicht so aus, als würde er sich ohne weiteres auspeitschen lassen«, sagte der andere. »Und seht ihr nicht die vier Clowns, die hinter den Bäumen lauem?«
Clowns! Zared hoffte inbrünstig, daß der weichliche Kerl morgen gegen Severn auf dem Turnierplatz antreten müßte. Dann würden sie bald merken, daß er kein Bauer war!
»Komm morgen während des Turniers zu mir!« sagte
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