Liebe ist staerker als Haß
schweren Rüstung auf seinem Streitroß. Die Männer, die sie hierher begleitet hatten, hielten sich eng beieinander. Und rund um sie lachte und höhnte die Bauernmenge.
Heute morgen war Zared noch, stolz den zweieinhalb Meter langen Wimpel der Peregrines schwenkend, hinter ihrem Bruder einhergeritten. Doch als sie sich dem Landsitz der Marshalls und dem Turnierplatz näherten, mußten sie anhalten.
Vor ihnen zogen lange Reihen prächtig gewandeter Ritter dahin. Ihre Rüstungen, pelzverbrämt und halb unter reich bestickten Gewändern verborgen, waren mit schönen Wappen bemalt. Oder sie waren mit Silber überzogen und blitzten im Sonnenschein. Federbüsche oder Tier- oder Vögelembleme schmückten ihre Helme.
Verzückt betrachtete Zared diese Männer und ihre Knappen. Dann glitt ihr Blick über die Gruppe der Peregrines. Severns Rüstung war verbeult und verrostet, sein Pferd trug nur einen Sattel und keine funkelnden Gewänder. Die Rüstungen seiner Männer befanden sich in einem noch schlechteren Zustand, und ihr eigener Waffenrock war stellenweise verschlissen und fast vollständig verdreckt.
»So können wir an dem Aufzug nicht teilnehmen«, flüsterte sie Severn zu.
Er klappte das Visier hoch und sah sie wild an. »Schöne Kleider machen noch keinen guten Kämpfer. Du bist ein Peregrine - vergiß das nicht!« Dann klappte er das Visier heftig zu und wandte sich ab.
Ja, ich bin ein Peregrine, dachte sie und drückte das Kreuz durch. Im Kampf würde Severn alle besiegen. Was kam es da auf die Kleidung an?
Severn hob die Hand. Die Peregrine-Ritter ordneten sich hinter ihm. Dann ritten sie aufs Turnierfeld zu.
Bauern waren meilenweit hergewandert, um das Schauspiel zu erleben. Voll Ehrerbietung schauten sie auf die prachtvoll gekleideten Ritter. Doch wenn sie der Peregrine-Ritter ansichtig wurden, stießen sie sich an und lachten laut los. Zared wagte nicht, sie anzusehen. Sie schaute starr geradeaus. Was hatten diese Leute schon zu besagen? dachte sie. Das einzige, was zählte, waren die bevorstehenden Spiele.
Am Eingang zum Turnierplatz mußten sämtliche Teilnehmer anhalten. Dann rief ein Herold der Marshalls den Namen des ersten Herausforderers auf, der sich der Familie Marshall und dem König vorstellen durfte.
Zared hatte angenommen, es handle sich um einen einfachen Vorbeizug, eine Parade von berittenen Männern vor den Marshalls. Aber was sie nun zu sehen bekam, ließ ihr den Mund offenstehen. Sie war ebenso beeindruckt wie die Bauern.
Der erste Ritter, der einreiten durfte, hieß Grenville. Über der mit Goldfarbe bemalten Rüstung trug er ein Gewand aus schwarzem Samt, und ihn begleiteten ein halbes Dutzend jugendlicher Pagen, ebenfalls in Schwarz und Gold gekleidet. Vor ihm schritten vier Trompeter, um Grenvilles Ankunft zu verkünden. Hinter den Trompetern kamen fünfzehn hübsche junge Mädchen in safrangelben Kleidern. Sie trugen Körbe am Arm, aus denen sie Rosenblüten auf den Boden streuen, über den Grenvilles Roß seinen Herrn tragen würde.
»Die Pferde werden die Rosen zertrampeln«, spottete Severn, und Zared stimmte ihm zu. Sie wollte sich allen überlegen fühlen. Doch als sie sich umschaute und sah, daß selbst die Kaufleute besser gekleidet waren als die Peregrines, da wünschte sie, sie hätte an dem Aufzug nicht teilnehmen dürfen.
Im weiteren Verlauf des Aufzugs wurde Zared klar, daß Grenvilles Schaustellung noch eine der bescheidensten war. Manche Ritter ließen spielerische Darstellungen aufführen. Andere hatten ganze Orchester bei sich. Vor einem Ritter fuhr ein langer flacher Wagen, den sechs wunderschöne Rappen zogen. Auf dem Wagen stand ein Mann im Kostüm des heiligen Georg, der sich anschickte, einen fast sieben Meter langen zischenden Drachen zu erschlagen.
Bei jedem neuen Teilnehmer wurde Zared kleiner im Sattel. Vielleicht sollte sie die Augen schließen und sich wünschen, sie wäre wieder daheim, nur um der Demütigung zu entgehen, die unausweichlich ihrer harrte. Die Menschen auf den Tribünen beklatschten jeden Teilnehmer bei seinem Auftritt. Würden sie lachen, wenn die Peregrines kamen?
»Du da!«
Zared drehte sich um und sah einen Jungen etwa ihres Alters, der zu ihr aufblickte und ihr einen schönen Waffenrock aus rotem Samt hinhielt.
»Was soll das?« fragte sie ihn.
»Das ist von meinem Herrn«, sagte der Junge ärgerlich. »Ich soll dir das geben.«
Eine milde Gabe, dachte Zared, und ihr Rückgrat wurde wieder hart wie Eisen. »Sag deinem
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