Liebe kennt keine Gefahren

es aber nicht. Er schwankte zwischen dem Wunsch, ihr zu danken, und dem Verlangen, sie zu würgen.
    »Es tut mir leid«, flüsterte sie, und die aufsteigenden Tränen schnürten ihr fast den Hals zu. »Ich konnte nicht zulassen, daß sie ihn töteten. Marianna erzählte mir, daß es eine Falle sei, deshalb mußte ich ihn warnen. Ich sah keine andere Möglichkeit. Ich wollte die Kinder nicht in Gefahr bringen. Ich wollte nicht… «
    »Pst! « flüsterte er und nahm ihre Hände in die seinen. Mehr gestattete er sich nicht. Er durfte sie nicht auf eine andere Weise berühren.
    »Er wurde verwundet. « Sie schob die Ärmel ihres Nachthemds in die Höhe und zeigte ihm das getrocknete Blut auf ihren Armen. Sie hatte sich gerade noch die Hände waschen können, ehe Pitman mit seinen Soldaten ins Haus stürmte. »Er warf sich mit seinem Körper über mich, als die Ladungen explodierten, und dabei wurde er verletzt. Vielleicht liegt er jetzt irgendwo in einem Graben und verblutet. Oder Pitmans Soldaten finden und töten ihn dort. «
    Er schloß seine Finger noch fester um ihre Hände. »Wenn Pitman alle Häuser in der Stadt durchsucht, hat dein Schwarzer Rebell reichlich Gelegenheit, sich in Sicherheit zu bringen. Ich glaube nicht, daß er verblutet. «
    »Wie kannst du das denn wissen? « fauchte sie.
    »So gefällst du mir schon besser«, erwiderte er lächelnd und zog ein Taschentuch aus seiner Jacke. Und im nüchteren Ton fuhr er fort: »Wir müssen jetzt über praktische Dinge reden. Vielleicht kannst du von deinem Stolz leben und versuchen, dich damit zu kleiden, aber diese Kinder verdienen ein besseres Los. Ich habe drei Koffer mit Kleidern im Haus, die einmal meiner Mutter gehört haben, und ich würde bezweifeln, daß Marianna sie anziehen könnte, ohne die Nähte zu sprengen. Und oben auf dem Speicher stehen Truhen voller Kinderkleider. Sie sollten für unsere Kinder aufgehoben werden. Doch wie es aussieht, wird Marianna keine bekommen, und Adam und Kit sind viel zu sehr damit beschäftigt, Heldentaten zu vollbringen, als daß sie noch die Zeit fänden, eine Familie zu gründen. Und mich will keine Frau haben. Also kannst du diese Kleider ebensogut für deine Geschwister verwenden. Nein! Ich will jetzt kein Wort der Widerrede hören. In gewisser Weise ist eine Montgomery an eurer Misere schuld, und für Pitmans Grausamkeiten solltet ihr auch, so gut es geht, von einem Montgomery entschädigt werden. Morgen werden wir Zusehen, daß wir auch ein paar Möbelstücke für euch finden und etwas zu essen. Und jetzt will ich, daß du zu Bett gehst und so viel Schlaf findest, wie es dir möglich ist. «
    Jessica gelang es, unter Tränen zu lächeln. »Du bist heute nacht wirklich wunderbar gewesen, Alex. Vielen Dank, daß du unser Haus gerettet hast. « Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn auf die Wange. »Vielen Dank«, wiederholte sie und ging dann ins Haus zurück. Sie vermied es, die Trümmer ihres Hausstandes anzusehen, die überall herumlagen, doch als sie sich der Matratze zuwendete, auf der Eleanor schlief, hörte sie eines der Kinder weinen.
    Sie stieg die Leiter zum Schlafboden hinauf. Auf den ersten Blick hin schienen alle Kinder zu schlummern, doch Nathaniel hatte die Lider zu fest zusammengepreßt. Sie kniete neben seinem Lager hin und nahm den Jungen in die Arme. Er versuchte, sich ihr als Mann zu beweisen und die Tränen zu unterdrücken, aber als Jess ihm den Nacken streichelte und ihn in ihren Armen wiegte, weinte er, bis ihm die Tränen ausgingen. Nate benahm sich oft so erwachsen, daß er darüber zuweilen vergaß, wie klein er noch war.
    »Wird er unser Haus niederbrennen lassen? «
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Jessica wahrheitsgetreu. Pitman hatte zwar heute nacht sein Vorhaben nicht durchsetzen können. Aber sie wußte nicht, ob ihm das nicht doch noch gelang, wenn Alex oder ein anderer nicht in der Nähe waren, um ihn daran zu hindern.
    »Ich habe Angst, Jessie. Mr. Pitman haßt uns. Warum? «
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube, er haßt den Schwarzen Rebellen, und er denkt, wir wären mit ihm verbündet. «
    »Aber das bist du doch, nicht wahr, Jessie? Du siehst ihn abends, und du hast ihn vor dem Pulver gerettet, nicht wahr? Du bist die einzige Frau, die den Mut besitzt, in einen Kreis aus gezündeten Sprengladungen hineinzulaufen. Vielleicht weiß Pitman das auch. «
    »Ich bin mir nicht sicher, ob das Mut ist oder eher eine Dummheit. Jemand mußte ihn vor diesen