Liebe kommt auf sanften Pfoten
dem verstorbenen Ehemann vergleicht.«
»Ah, die Ratgeber.« Lorcan nickte wissend. »Und? Hast du es getan? Also Ben mit ihm verglichen?«
Juliet dachte einen Augenblick nach. »Bei Michael ist es eher so, dass er das vollkommene Gegenteil von Ben ist. Er ist kein Handwerker. Eher der Anzugtyp. Aber vielleicht ist es genauso schlimm, das komplette Gegenteil zu suchen.«
»Ich bin da kein Experte« – Lorcan wischte ein verschmiertes Stück Fugenmasse von einer Fliese –, »aber ich glaube nicht, dass man je aufhören wird zu vergleichen, wenn ein Mensch einen so großen Einfluss auf das eigene Leben gehabt hat. Ich fände es auch komisch, die Erinnerung an ihn einfach so wegzuwischen, wenn einem ein Mensch viel bedeutet hat.«
Juliet sah zu ihm hinüber. Lorcan hielt sich auf einmal sehr zurück. »Sprichst du da aus Erfahrung?«
Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht.«
»Jemand Besonderes?«
Jetzt blickte Lorcan zu ihr hinüber und lächelte kurz, doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht. »So ist das Leben. Wer Sonnenschein will, muss auch Regen akzeptieren, wie irgendein berühmter Philosoph wahrscheinlich irgendwann mal gesagt hat.«
Wahrscheinlich ging es um Emer, dachte Juliet. Vielleicht trauerte er ihr hinterher? Vielleicht war sie damals seine erste Freundin gewesen? Juliet erwiderte einen Moment lang seinen Blick. Normalerweise hätten sie beide in diesem Moment sicherlich eine witzige Bemerkung vom Stapel gelassen, doch Lorcan schien genau wie sie düsteren Gedanken nachzuhängen.
Juliet wandte sich wieder ihrer Fugenmasse zu und seufzte. »Na ja, in den Ratgebern steht auch, dass es nach einem Jahr leichter wird.«
»Ist es nicht bald so weit?«
»In sechs Wochen.«
Als sie diese Worte sagte, war sie selbst überrascht. Sechs Wochen kamen ihr nicht sonderlich lang vor, um aus den letzten warmen Augusttagen einen ordentlich verregneten, windigen Herbst werden zu lassen. In sechs Wochen würde es statt des saftigen Grüns und der roten Beeren überall nur noch welkes Blattwerk und Kastanien geben. Schon jetzt wurden die Blätter bunt, und dieses Mal hatte sie es sogar selbst bemerkt, ohne dass Ben sie extra darauf hinweisen musste.
»Sollen wir heute Abend etwas zusammen kochen?«, fragte Lorcan. »Ich habe die Austern einfach bei dir in den Kühlschrank geschoben, aber wenn du keine Lust hast, dann kann ich bestimmt auch Emer dazu überreden, die …«
»Nein, nein!« Juliet ließ die Spritze mit der Fugenmasse sinken. »Ich habe nur schon seit einer Ewigkeit keine Austern mehr zubereitet.« Sie verzog das Gesicht. »Zumindest nicht mehr, seit wir alle zusammen vor ein paar Jahren an Allerheiligen deswegen im Krankenhaus gelandet sind.«
Lorcan starrte sie entsetzt an. »War ein Witz«, fuhr sie nach ein paar Sekunden fort.
Er lachte, und mit dem Klang seines Gelächters ging es ihr gleich schon viel besser, zumindest für eine kurze Zeit.
»Ich liebe Austern«, gab Lorcan zu. »Die erinnern mich an die irische Westküste. Ein Stück Brot, ein Guinness, ein prasselndes Kaminfeuer, attraktive weibliche Gesellschaft. Austern gelten ja als Aphrodisiakum …«
Juliet nickte, doch insgeheim dachte sie tatsächlich darüber nach, dass sie schon seit einer halben Ewigkeit keine Austern mehr gekocht hatte. Zumindest nicht seit einer ziemlich noblen Hochzeit in Hanleigh, für die sie und Kim das Catering übernommen hatten. Austern waren nicht gerade leicht zuzubereiten, und wenn sie schon Kekse und Cupcakes nicht hinbekam, was sollte denn dann bitte schön erst bei Meeresfrüchten passieren?
Ihre Zuversicht schwand, und vor ihrem geistigen Auge sah sie schon den armen Lorcan vor sich, wie er elendig über einer Kloschüssel hing. Das war wohl kaum eine angemessene Belohnung dafür, dass er ihr Gourmetessen mitgebracht hatte. Und wenn sie ganz, ganz ehrlich war, wollte ein Teil von ihr nicht, dass er seinen Glauben an sie als Gourmetköchin verlor. Denn sie hatte sich ziemlich geschmeichelt gefühlt, als er ihre einfachen Kekse über den grünen Klee gelobt hatte.
»Vielleicht sollte tatsächlich lieber Emer die Austern zubereiten«, erklärte sie schließlich. »Sie ist immerhin in dieser Hinsicht eine Expertin, und ich fände es schrecklich, wenn ich die schönen Austern verderben würde. Kann ich nicht einfach Guinness besorgen und nach nebenan kommen? Ist denn überhaupt genug für uns alle da?«
Lorcan sah zu ihr hinüber. »Es reicht leider nur für zwei. Oder für eine
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