Liebe kommt auf sanften Pfoten
du in letzter Zeit einiges durchgemacht hast, aber deine Schwester spielt hier gerade mit dem Feuer … Sie könnte wahrscheinlich ein wenig Mitgefühl brauchen!« Sie rieb ihre Stirn und versuchte, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. »Okay, was sollst du jetzt tun? Na, sei ehrlich. Sag ihm, dass du herausgefunden hast, dass er mit deiner Schwester eine Affäre hatte, und dass es für alle wohl das Beste sei, die Dinge ein wenig abkühlen zu lassen. Du bist bislang nur ein einziges Mal mit ihm ausgegangen und verbringst mehr Zeit mit seinem Hund als mit ihm. Sag ihm das. Sag ihm, dass du dich allein auf seinen verflixten Hund konzentrieren willst.«
Emer stand vom Tisch auf, öffnete einige Schranktüren und ließ sie laut wieder zuknallen. »Hast du Lust auf Chips?«
Juliet starrte in ihr winziges Glas und hatte das Gefühl, die Orientierung zu verlieren – und das nicht nur wegen des Wacholderschnapses. Das war so typisch für Emer und Lorcan: Sie hatten keinerlei Hemmungen, genau das zu sagen, was sie dachten, anstatt nur darüber nachzudenken, wie es ihre Familie tat. Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte Emer all die unschönen, verbitterten Gefühle zutage gefördert, die Juliet jahrelang gegenüber ihrer großen Schwester gehegt hatte und die nun wie die Scherben eines zerbrochenen Tellers vor ihr auf dem Tisch lagen.
Aber wie sollte sie Louise fragen, was los war, wenn Louise die letzten sechs Jahre damit verbracht hatte, ihr zu erklären, wie perfekt ihr Leben war? So funktionierte das doch nicht! »Louise braucht keine Hilfe, von niemandem. Und von mir am allerwenigsten.«
Juliet merkte, dass sich Emer auf dem Stuhl neben ihr niederließ, doch sie sah nicht auf.
»Menschen verändern sich«, erklärte Emer sanft. »Und manchmal stellen sie eben dumme Dinge an. Dann musst du ihnen vergeben und darüber hinwegkommen. So funktioniert Liebe. Du brauchst dazu eine große, dehnbare Augenbinde. Jetzt nicht im perversen, sondern eher im mitleidigen Sinne.«
Juliets Mundwinkel zuckten und hoben sich zu einem erleichterten Lächeln, während Emer ihr auf die Schulter klopfte.
»Ich will dich nicht belehren, aber ich habe so etwas schon einmal erlebt, und es ist frustrierend, dabei zuzusehen, wie es noch einmal passiert.«
»Mit … dir und Alec?«, fragte Juliet verblüfft.
»Nein.« Emer schüttelte den Kopf. »Mit … Mann, ich will keine vertraulichen Dinge ausplaudern, aber es ist jemand, den wir beide gut kennen. Jemand, der mit seiner Herzensdame nicht geredet hat, als er ihr schlecht ging, und sich stattdessen in Arbeit vergraben hat. Er ist mit Alec auf Tour gewesen, anstatt sich zu fragen, ob …« Emer kniff die Augen zusammen und überlegte, wie sie die Details verwischen konnte, gab dann aber auf. »Anstatt sich zu fragen, ob es für eine Frau normal ist, ihr Baby zu verlieren und dann nie wieder darüber zu sprechen – weder über sich noch über ihren Mann oder sonst etwas. Männer sind keine großen Redner, deswegen hat dieser … Freund so getan, als sei es nie passiert. Das hat die beiden entzweit, und es ist nur allzu menschlich, dass diese Kluft von einem anderen Mann gefüllt wurde, der das Leid und das Elend, das sie erlebt hatte, nicht kannte.«
»Oh«, entfuhr es Juliet, und mit einem Mal sah sie Lorcan in einem ganz anderen Licht. »Und hat sich unser Freund von seiner … Herzensdame getrennt?«
Herzensdame. Aus ihrem Mund klang das irgendwie albern, doch für Emer nicht. Außerdem würde Lorcan seine Freundin garantiert wie eine Herzensdame behandeln. Es klang auf jeden Fall besser als »Weib«.
»Ja, das hat er. Es war ein Riesenchaos, und er meinte, dass er sich das nie wieder antun wolle. Das ist auch der Grund, warum er mit seiner alten Schulfreundin und deren wahnsinniger Rasselbande abhängt und immer wieder den menschlichen Tiersitter für sie spielt, während ihr Ehemann auf Tour ist.« Emer schlug sich die Hand vor den Mund. »O nein«, rief sie, die Augen aufgerissen. »Ich glaube, ich habe viel zu viel erzählt.«
»Nein, keine Sorge«, beruhigte Juliet sie. »Vielleicht ist das auch der Grund, warum dieser Freund und ich uns so gut verstehen. Wir müssen uns beide noch erholen.«
Emer nickte traurig. »Seine Geschichte würde ich sonst niemandem anvertrauen, aber ich hoffe, dass du das verstehst.«
»Tue ich. In unserem Alter ist es schließlich schwieriger, einen echten Freund zu finden, als einen Liebhaber.«
»Rede mit deiner Schwester. Versuche zu
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