Liebe kommt auf sanften Pfoten
musterte das Chaos aus Messbechern, Rührschüsseln und Löffeln, das sie umgab. Wäre es nicht mitten in der Nacht gewesen, hätte sie jetzt Lorcan angerufen, um sich eine zweite Meinung einzuholen. Er mochte Kekse. Während der letzten Monate hatte er mehr als genug davon mit lausiger Qualität verdrückt – er hatte es einfach verdient, Kekse vorgesetzt zu bekommen, die gelungen waren.
Vielleicht sollten Brownies ihr nächstes Projekt werden. In dem Moment ging Juliet ein Licht auf. Sie würde probieren, bessere Brownies zu backen als Lorcan mit seinem ach so fabelhaften Rezept. Die Kellys sollten entscheiden.
Als sie die Einkaufsliste auf die Kreidetafel schrieb – Eier, Kakaopulver, Mehl, Zucker –, lächelte sie glücklich. Einen kurzen Moment lang war sie versucht, in ihre Stiefel zu schlüpfen und sofort zum 24-Stunden- Tesco zu fahren. Doch dann überlegte sie es sich doch wieder anders; mittlerweile machte es ihr kaum noch etwas aus, tagsüber einkaufen zu gehen.
Und Louise. Auch sie könnte derzeit sicherlich ein paar leckere Kekse vertragen. Und schon holte Juliet wieder ihre Messbecher hervor und rührte ein weiteres Mal die Teigmasse zusammen. Es war ein schönes Gefühl, zur Abwechslung einmal ihrer Familie zu helfen und sie zu unterstützen, anstatt immer diejenige zu sein, die aufgebaut werden musste. Sie war zwar immer noch Witwe, doch an manchen Tagen war sie so sehr damit beschäftigt, Schwester oder Tante zu sein, dass diese Tatsache nicht mehr vorrangig ihre Gedanken beschäftigte.
»Weißt du was, Minton? Ich glaube, ich kann wieder arbeiten!«, sagte sie laut, doch noch während sie sprach, fragte sie sich unweigerlich, ob das denn wirklich das war, was sie wollte.
Am entgegengesetzten Ende der Stadt hatte sich Louise auf dem Sofa zusammengerollt und lauschte dem Regen, der auf das Dach des Wintergartens prasselte. Normalerweise lag sie um diese Uhrzeit schon lange im Bett, doch sie war so weit davon entfernt, einschlafen zu können, dass sie absolut keine Lust hatte, ins Bett zu gehen.
Dabei hätte sie den Schlaf eigentlich dringend nötig gehabt. Am nächsten Morgen musste sie wieder zur Arbeit gehen; sich drei Tage lang krankzumelden war das Äußerste, was unter Vorgabe eines Magen-Darm-Virus drin war, da im Büro alle wussten, dass sie noch einen Fall vor Gericht verhandelt hatte, als sie bereits die ersten Wehen verspürt hatte.
Ich hätte einfach sagen sollen, dass ich mir das Bein gebrochen habe, dachte Louise ironisch. Susie aus dem NCT-Elternverein war mit einem Arzt verheiratet und Louise noch einen Gefallen schuldig für eine Beratung, die Louise ihr nach einem Knöllchen gegeben hatte. Wahrscheinlich hätte Susie ihr den Krankenschein problemlos besorgen können.
Noch während ihr dieser Gedanke durch den Kopf ging, schämte sie sich dieser Lüge. Sie befand sich derzeit auf dem Wahrheitstrip – nicht einmal eine Notlüge erschien da akzeptabel. Aber im Augenblick hatte es eher den Anschein, als könne sie nur noch mit Hilfe kleiner Notlügen alle anderen glücklich und zufrieden machen.
Der Mensch, bei dem sie es am meisten verabscheute, ihn anzulügen, war Toby. Seit Peter vor fünf Nächten davongestürmt war, hatte Toby jeden Abend nach Daddy gefragt. Sie hatte ihm erklärt, dass Daddy auf einer besonderen Geschäftsreise wäre und bald schon wieder zurückkäme. Zwar war Louise sich nicht sicher, wie viel Toby davon verstand, aber sein ängstlicher Blick hatte ihr ein schlechtes Gewissen eingejagt. Mit Mummy zu Hause zu sein anstatt im Kinderhort, das war nicht so lustig, wenn Mummy die ganze Zeit über den Tränen nahe war und das Haus nicht verlassen wollte.
Juliet rief jeden Tag an, um sicherzugehen, dass »alles in Ordnung« war. Louise begriff endlich, wie frustrierend es für Juliet gewesen sein musste, als jeder so mit ihr umgegangen war und sie stets gezwungen gewesen war, mit »Mir geht es wirklich gut« zu antworten, wenn es ihr in Wirklichkeit alles andere als gut ging. Juliet war sogar extra vorbeigekommen, um zu fragen, ob Louise sich ihr und ihrer Hundemeute bei einem Spaziergang rund um die Stadt anschließen wollte. Doch Louise fand, dass sich das Chaos, das sie angerichtet hatte, wahrscheinlich nicht dadurch lösen ließ, dass sie einen Labrador den Hügel hinaufzerrte.
Auch ihre Mum hatte angerufen – was noch mehr Notlügen bedeutete, dass es ihr gut ging. Sogar Michael hatte sich spät am vorherigen Abend bei ihr gemeldet, als Toby schon im
Weitere Kostenlose Bücher