Liebe kommt auf sanften Pfoten
ihr gedankenverloren den Kopf. »Sag deiner Mutter bloß nichts davon, dass Coco auf dem Sofa liegt!«
»Keine Sorge«, erwiderte Juliet, »ich werde ihr auch nicht verraten, dass du deine Toffeebonbons in der Tüte von kalorienreduzierten Reiscrackern versteckst«, fuhr sie fort und bediente sich.
In gemeinschaftlichem Schweigen saßen sie da, während Toby mit ein paar Kartons und Büchsen auf dem Boden spielte, ohne dabei Notiz von den Hunden zu nehmen. Juliet zwang sich dazu, der Fernsehsendung zu folgen, anstatt ihre Ohren in Richtung der Küche zu drehen, um zu hören, was dort vor sich ging. War das gerade etwa ein entsetzter Schrei gewesen? Hörte sie Schluchzer?
»Das ist aber eine schöne Schale«, befand Eric, als eine ältere Dame so tat, als habe sie keine Ahnung, dass ihre alte Wedgwood-Schüssel mehrere Hundert Pfund wert war.
»Mrs Cox hat drei davon«, erzählte Juliet. »Aus einer davon trinken ihre Katzen Wasser.«
»Tatsächlich?«
»Tatsächlich.«
Das ist doch der Sinn einer Familie, dachte Juliet plötzlich. Die sichere Geborgenheit, die eine ordentliche, langweilige Unterhaltung über eine alte Folge der Antiques Roadshow zu bieten hat. Was auch immer in der Küche vor sich geht – Louise hat immer noch uns. Wir werden für sie da sein, wie sie alle für mich da gewesen sind.
Juliet beugte sich über Cocos massiven Rücken, legte den Arm um ihren Vater und drückte ihren Kopf an sein kariertes Hemd.
»Ich hab dich lieb, Dad. Ich bin froh, dass es dich gibt.«
Eric grunzte beschämt und schob die Reiscrackertüte zu ihr hinüber. Juliet nahm sich eine extragroße, mit Schokolade umhüllte Toffeepraline.
25
J uliet legte das Backblech auf dem Küchentisch ab und nahm das Gebäck unter die Lupe, um verbrannte Stellen, Zerlaufenes, Risse oder seltsame Mehlflecken zu finden, weil sie den Teig vielleicht nicht gut genug verrührt hatte.
Doch von alledem war nichts zu sehen. Vor ihr lagen vier Reihen perfekter Butterkekse, goldbraun, mit sauberen, akkuraten Rändern.
»Du meine Güte«, rief sie Minton zu, »das ist jetzt schon die dritte Ladung in Folge. Meinst du, mein Händchen fürs Backen ist wieder okay?«
Minton wackelte halbherzig mit dem Schwanz, denn es war schon nach Mitternacht. Juliet hatte aber auch keine großartigen Begeisterungsstürme von einem kleinen Hund erwartet, der um diese Uhrzeit normalerweise bereits seit einigen Stunden schlief. Mintons nächtliche Ausflüge zu Tesco lagen schon lange hinter ihm.
Juliet brach einen der heißen Kekse in der Mitte durch und biss ein Stückchen ab, wobei sie sich ordentlich die Zunge verbrannte. Der Keks schmeckte köstlich, so köstlich, dass ihr vor Erleichterung beinahe die Tränen gekommen wären.
Gegen zehn Uhr abends hatte plötzlich die Backwut sie gepackt, nachdem sie im Fernsehen eine Sendung über irgendeinen Banker gesehen hatte, der seinen Job an den Nagel gehängt hatte, um glutenfreie Cupcakes zu backen, die für Juliets Empfinden so aussahen, als würden sie nach Strickwolle schmecken. Zum ersten Mal seit Bens Tod hatte sie tatsächlich die Lust verspürt, etwas backen zu wollen. Die vielen erfolglosen Versuche, zu denen sie sich hatte zwingen müssen, konnte sie schon gar nicht mehr zählen. Weil sie Angst gehabt hatte, wieder zu versagen – da sie in dem Fall die endgültige Bestätigung dafür gehabt hätte, dass sie ihre frühere Begabung tatsächlich verloren hatte –, hatte sie ein Rezept ausgewählt, das sie mit geschlossenen Augen hätte backen können. Dazu hatte sie das Radio angestellt, eine Late-Night-Call-in-Sendung, und ihre Hände ganz den automatischen Bewegungen überlassen.
Die Resultate lagen vor ihr auf den stapelbaren Abkühlblechen; drei Etagen voller knuspriger Butterkekse, die sie mit den Förmchen ausgestochen hatte, die »Minton« ihr beim ersten Weihnachtsfest nach seinem Einzug hier geschenkt hatte – Knochen, Scotties, Hundehütten.
Während der letzten Jahre hatte Juliet Tausende Butterkekse wie am Fließband hergestellt, und das in Form von Babyschühchen, Fußbällen, Golftaschen und Hochzeitsglocken. Doch keine davon hatten so gut wie diese geschmeckt, die mitten in der Nacht aus dem Ofen gekommen und mit einigen bereits abgelaufenen Zutaten gebacken worden waren.
Juliet lauschte behaglich, wie der Regen ans Küchenfenster schlug, während sich im Radio die Anrufer über den Zustand des Busbahnhofs beschwerten. Juliet lehnte sich an ihre unfertigen Küchenschränke und
Weitere Kostenlose Bücher