Liebe kommt auf sanften Pfoten
»Damson ist kastriert. Ihr Rüde verschwendet also seine Zeit. Ganz im Ernst: Ein solches Verhalten ist einfach unmöglich. Früher oder später wird er dafür angezeigt werden. Das ist wirklich skandalös!«
Juliet sank auf ihre Fersen zurück, als ihre Wut mit einem Mal wie weggeblasen war. Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar und wünschte sich inständig, sich an einem anderen Ort zu befinden. »Es tut mir wirklich leid. Ich werde seiner Besitzerin ausrichten, dass sie ihm Bromide verabreichen soll, oder was auch immer damals den Soldaten im Krieg als Beruhigungsmittel verschrieben wurde. Hector, hältst du jetzt wohl still!«
Juliet schüttelte ihn ein wenig – nicht fest, aber auf die gleiche Art, wie Minton mit seinen Stofftieren umging – und packte ihn wieder am Nackenfell. Endlich schien Hector zu gehorchen, denn er schaute mit seinen dunkelbraunen Augen respektvoll zu ihr auf.
Danach sah Juliet zu dem Mann hinüber, der seine Spanielhündin beruhigte, indem er ihr über die flauschigen Ohren strich und leise auf sie einredete.
Wenigstens hatte sie mit ihrem Tacklingangriff einen Mann ins Gebüsch befördert und nicht etwa eine nette alte Oma. Einen höchst attraktiven Mann obendrein, wie sie fand. Er erinnerte sie an den jungen Antiquitätenexperten aus dem Fernsehen, bei dem selbst Omas verlegen kicherten. Er war groß und wirkte sehr kompetent, hatte sandblondes Haar, das ihm immer wieder ins Gesicht fiel, und trug eine Brille. Hinter dieser versteckten sich intelligente, haselnussbraune Augen, und er besaß ein ironisches Lächeln, das zwar bestimmt irgendwann einmal zum Vorschein kam, aber sicherlich nicht innerhalb der nächsten fünf Minuten – zumindest seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen.
»Haben Sie sich Ihre Kleidung zerrissen?«, erkundigte sich Juliet.
Der Mann sah an sich hinunter und nahm seine Jacke und die Hose unter die Lupe. »Nein, alles gut. Das hätte aber durchaus schlimmer ausgehen können. Immerhin hätte ich auch in den Brombeersträuchern landen können.« Er nickte in Richtung des dornigen Gestrüpps ein paar Schritte weiter links.
»Oder im Hundekoteimer.« Juliet deutete auf die andere Seite des Weges. Bei genauerer Betrachtung hätte das Ganze in der Tat deutlich schlimmer ausgehen können.
»Stimmt. Alles in Ordnung mit Ihnen? Sie sind schließlich noch schlimmer hingefallen als ich.«
Als sie zu ihm aufsah, merkte sie, wie der Mann sie von Kopf bis Fuß musterte und offenbar überprüfte, ob sie einen Schaden davongetragen hatte. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn, falls dort – peinlicherweise – etwas kleben sollte. »Alles gut.«
»Was ist mit den Hunden?«
»Ach, denen geht’s auch gut.« Die Situation wurde langsam unangenehm. War diese steife Befragung etwa eine Vorbereitung für eine Versicherungsklage? Schnell leinte Juliet ihre Hunde wieder an. »Ich werde mit Hectors Besitzerin ein ernstes Wörtchen reden. Sie haben recht – er sollte dringend dem Tierarzt einen Besuch abstatten.«
Juliet bückte sich und strich dem Spaniel über das weiche Köpfchen. »Tut mir leid, Damson. Das wird nicht noch einmal passieren. Wenn du Gassi gehst, solltest du wirklich keinen sexuellen Übergriffen ausgesetzt sein. Selbst wenn du so eine Hübsche bist!«
Juliet rechnete jeden Moment mit einer bissigen Bemerkung des Besitzers, doch der Mann lachte nur kurz auf. »Na ja, Hunde sind eben Hunde. Da kann man nicht erwarten, dass er sie schick zu Abendessen und Kino einlädt. Hector heißt der Knabe, nicht wahr?« Die Augen hinter den Brillengläsern blickten nun nicht mehr ganz so verärgert. Im Gegenteil: Der Mann schien beinahe amüsiert zu sein.
»Ja. Und das sind Coco und Minton. Minton ist mein Hund. Mit den anderen beiden gehe ich nur Gassi.«
»Wir kommen von da …« Er deutete den Hügel hinauf. »Wohin waren Sie unterwegs?«
Juliet zögerte. Schlug der Mann ihr etwa gerade vor, gemeinsam weiterzuspazieren? Oder wollte er nur sichergehen, dass sie mit ihren Hunden nicht den gleichen Weg nahm wie er?
»Ich wollte eigentlich wieder in die Stadt zurück«, erwiderte sie. »Ich denke, es wird Zeit, dass Hector ein Bad nimmt.«
»Okay. Na dann …« Er presste die Lippen aufeinander und nickte.
Was soll ich jetzt bloß darauf sagen?, fragte sich Juliet. Offensichtlich erwartete der Mann irgendetwas von ihr. Einen Ausgleich für Damsons verletzte Gefühle? Eine Schachtel Hundeleckerli als Wiedergutmachung für das Leid und die Schmerzen, die
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