Liebe läßt alle Blumen blühen
Zweisamkeit zu überzeugen.
Auf diese Art – nie! dachte Ludwig Zipka. Ganz im Gegenteil: Ich nehme den Kampf auf! Wir werden sehen, was der Zettelschreiber unter ›letzte Warnung‹ versteht.
Kurz vor halb sieben kam Kathinka aus dem Bad und winkte Zipka hoheitsvoll zu. »Ich ziehe mich jetzt an!« sagte sie. Das hieß: Verschwinde!
Zipka erhob sich und ging ins Badezimmer, wo er sich rasierte.
»Wie alt ist dieser Dozent?« fragte er dabei.
Kathinka sah ihm fragend nach. »Welcher Dozent?«
»Ihr Freund.«
»Herbert Vollrath? Warum?«
»Ist er im Nebenberuf Geologe? Steinchensammler?«
»Woher wissen Sie das?«
»Aha! Also doch!«
»Herbert sammelt seltene Kristalle. Er besitzt schon eine recht bemerkenswerte Sammlung.«
»Aber er hält nicht viel von Kalksteinen …«
»Was soll das?« Sie musterte Zipka mit schräg geneigtem Kopf. »Hinter diesen Redereien steckt doch etwas! Sie brüten doch wieder was aus …«
»Halten Sie es für möglich, daß dieser Herr Vollrath noch jungenhafte Anwandlungen hat und sich in bestimmten Situationen wie ein zwölfjähriger Karl-May-Leser verhalten könnte?«
»Möglich? Gott, bei Männern ist alles möglich.«
»Vollrath weiß, daß Sie jetzt unterwegs sind?«
»Ja, ja …«
»Er kennt auch das Reiseziel …?«
»Warum nicht?«
»Welchen Wagen fährt er?«
»Einen BMW. Fragen Sie mich jetzt nur nicht nach dem Typ. Weiß ich nicht. Aber warum das alles? Befürchten Sie tatsächlich, daß Herbert Vollrath uns nachfährt und beobachtet?«
Kathinka lachte plötzlich, bog sich zurück, und ihr Morgenmantel sprang auf. Einen Augenblick lang nur sah Zipka die herrliche nackte Haut – dann fiel der Mantel wieder zusammen.
»Das ist ja absurd!« rief Kathinka. »Du lieber Himmel, Herbert als Verfolger! Und wenn – würde Sie das so nervös machen?«
»Ich könnte – Kopfschmerzen bekommen«, antwortete Zipka doppeldeutig. »Wie ausgedehnt sind seine Rechte?«
»Das geht Sie gar nichts an. Aber ich will Ihnen trotzdem antworten: Er hat überhaupt keine Rechte. Gar keine! Niemand hat Rechte an mir! Ich gehöre mir ganz allein! – Noch etwas?«
»Nein«, sagte Zipka und schüttelte den Kopf.
»Haben Sie irgendeine Beobachtung gemacht? Spioniert uns jemand nach?« Ihre Stimme klang jetzt gespannt. »Ihre Fragen müssen doch einen Hintergrund haben.«
»Sie entspringen der Logik, Tinka.«
»Der Logik?«
»Wenn ich ein Mann wäre, der nur einen Zipfel von dem Recht hätte, Ihnen meine Liebe zu zeigen – ich würde Ihnen bis Australien folgen oder rund um den ganzen Erdball!«
»Herbert Vollrath nie!« Kathinka griff nach einem Handtuch und wuschelte ihre Haare durcheinander. »Er ist ein Mann von Grundsätzen. Da kann er steinhart sein.«
»Das glaube ich Ihnen aufs Wort!«
Ludwig Zipka zog die Tür zum Badezimmer hinter sich zu. Er ging wieder ans Fenster und blickte in den blütenübersäten Garten hinaus. Unmöglich! dachte er. Ein Dozent wirft nicht mit zettelumwickelten Steinen. Das ist nicht sein Stil. Aber andererseits: Wenn man eine Frau wie Tinka liebt, hört die Vernunft auf. Man kann dann unter Umständen zu Handlungen getrieben werden, die im normalen Geisteszustand in die Kategorie der Idiotie gehören … Lieber Gott, was läßt du aus einem Mann werden, der liebt!
4
Das Tempolimit auf französischen Autobahnen liegt bei 130. Die französische Gendarmerie ist darin sehr streng, auch bei Ausländern, denn sie setzt voraus, daß auch Nichtfranzosen Schilder lesen können. Kathinka Braun fuhr demnach sehr vernünftig, immer um 130 herum. Aber wenn die Autobahn einmal frei war, drückte sie aufs Gas und schoß in altbekannter Manier über die Piste. Immerhin brachte dieses Spielchen so viel ein, daß sie früher in Avignon eintrafen, als Kathinka ausgerechnet hatte. Sie hielt vor den mächtigen Mauern des Papstpalastes und blickte Zipka herausfordernd an.
»Da ist Ihr Prunkstück. Sie können sogar zwei Stunden durch die Vergangenheit wandern.«
»Es ist erstaunlich«, murmelte er.
»Was?«
»Eine Architektin, die kein Interesse an ehrwürdigen Bauten hat. Ich möchte Ihre Häuser mal sehen, Tinka! Hypermodern, was? Auf Knopfdruck fährt ein Bett aus der Wand, und ein Kinderchor singt das Wiegenlied von Brahms …«
»Sie werden es nicht glauben: Für einen Düsseldorfer Industriellen habe ich eine Villa im altgriechischen Stil gebaut. Mit einhundertfünfundvierzig Säulen …«
»Toll!« Zipka blieb im Wagen sitzen. Er blickte in den
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