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Liebe läßt alle Blumen blühen

Liebe läßt alle Blumen blühen

Titel: Liebe läßt alle Blumen blühen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich – nein, nicht das Genick, viel schlimmer – einen Rückenwirbel. Er konnte nicht mehr laufen, nicht mehr kriechen, nichts mehr. Und da sich niemand um ihn kümmerte, keiner ihn vermißte, mußte er verhungern. Man fand ihn erst nach einem Jahr, durch Zufall, weil man hier Schnepfen jagte. Er war schon ganz mumifiziert.«
    »Eine gesegnete Gegend!« Zipka zeigte nach oben. »Es besteht keine Möglichkeit, daß man durch die Windmühlenflügel geköpft wird?«
    »Nein, sie sind festgemacht. Das Drehwerk ist innen durch einen Balken blockiert worden.«
    »Aber den Balken kann man entfernen?«
    »Man kann. Aber warum sollte man?«
    Kathinka bedachte den ewig fragenden Zipka mit einem giftigen Blick und ging dann in die Mühle. Der runde Innenraum war – soweit das noch möglich war – sauber geschrubbt. Aus dem ehemaligen Lagerraum war ein großes Wohnzimmer geworden, von dem eine steile Treppe, die wirklich halsbrecherisch aussah, in die erste Etage führte. Hier war die ehemalige Wohnung der Müllersleute in zwei Schlafzimmer und ein Waschkabinett umgebaut worden. Zwei riesige Holzbetten, mächtige Kleiderschränke und einige Stühle, denen man ansah, daß sie von Hand gezimmert worden waren, bildeten die spärliche Einrichtung. Im Waschraum dominierte eine lange Truhe, auf der zwei Porzellanschüsseln, zwei Wasserkannen und ein Klappspiegel genug Platz fanden. Als besonderen, typisch französischen Luxus hatten die Dupécheurs ein Bidet aus gelbem Plastik aufgestellt. Einen Abfluß gab es nicht, man schüttete das gebrauchte Wasser einfach aus dem Fenster.
    Auch die Toilettenverhältnisse entsprachen ländlich-abgeschiedener Genügsamkeit: Hinter dem Wohnzimmer im Parterre führte ein schmaler Flur zu einer Kammer, an deren Rückwand ein hölzerner Kasten mit einem runden Ausschnitt montiert war. Ein Holzdeckel mit eisernem Griff verschloß die Öffnung und diente als Dufthemmer. Berückend schön dagegen war die Aussicht, wenn man auf dem Kasten saß und aus dem Fenster sah: Man erblickte den schimmernden See, das Schilfufer, die Vogelschwärme und die Fischerboote, die lautlos über das Wasser glitten.
    »Hier macht es wirklich Freude, sich aufzuhalten!« meinte Zipka und sprach dabei deutsch. »Die Architektin sollte sich dadurch anregen lassen! Tinka, bauen Sie nächstens auch jeden Lokus mit einer so schönen Aussicht! Das hat einen ungeheuren psychologischen Effekt. Sie wissen doch – ein Mensch, der hier sitzt, ist losgelöst von allen Sorgen …«
    Kathinka Braun ließ Zipka einfach stehen und ging zurück ins große, runde Wohnzimmer. Es war mit Tisch und Stühlen kärglich eingerichtet; ein roh gezimmertes Büffet, eine offene Kochstelle hinter der steilen Treppe, eine ärmliche Polstergarnitur in der Mitte des Raumes und der niedrige Clubtisch waren eine Konzession an die Luxusbedürfnisse des modernen Menschen. Die Dupécheurs hatten die Polstergarnitur aus ihrer Wirtschaft herbeigeschafft, genauso wie das Geschirr, die Bestecke, die Wäsche, die Töpfe und Pfannen – eben alles, was man zu einem normalen Leben braucht. Man mußte sie loben: Sie hatten so ziemlich an alles gedacht, selbst an ein Jagdgewehr.
    Sergeant Andratte erklärte das so: »Wir sind hier unter uns, Monsieur, Madame! Für ein Gewehr braucht man einen Waffenschein, der aus Arles besorgt werden müßte. Das wäre ein umständlicher Weg. Die Sache könnte länger dauern, als Sie hier sind.«
    Er setzte sich auf die Couch, zündete sich eine Zigarette an und inhalierte genußvoll drei Züge, ehe er weitersprach: »Aber ganz ohne Gewehr wären Sie hier schlecht dran. Wollten Sie jedesmal für ein Stückchen Fleisch nach Mas d'Agon fahren? Kaninchen, Hasen, Fasane, Schnepfen und Tauben laufen Ihnen vor der Tür herum. Sie können doch mit einem Gewehr umgehen?«
    »Ich werde hin und wieder zu Jagden eingeladen«, erwiderte Zipka bescheiden. »Ich habe noch nie einen Treiber getroffen.«
    »Haha!« Sergeant Andratte bog sich vor Lachen. »Da hatten wir vor zwei Jahren einen Fall, drüben in Les Cabanes. Nicht mein Bezirk, Gott sei Dank! Ein Tourist hatte sich selbst in den Hintern geschossen! Hahaha! Selbst in den Hintern, Sie werden es nicht glauben! Der war total verblüfft, daß so etwas möglich ist.«
    Nach knapp zwei Stunden waren Kathinka Braun und Ludwig Zipka allein. Sie standen draußen vor der Mühle und winkten so lange dem Sergeanten Andratte und dem Ehepaar Dupécheur nach, bis der alte offene Citroën verschwunden

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