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Liebe läßt alle Blumen blühen

Liebe läßt alle Blumen blühen

Titel: Liebe läßt alle Blumen blühen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beruhigt.«
    Zipka nahm das Gewehr von der Wand, wo es an einem dicken Nagel hing, lud es mit Schrotpatronen und stieß die Tür auf. Ein Windzug ließ die Petroleumlampen flackern. Außerdem heulte es plötzlich, als seien im Innern der Mühle Pfeifen verborgen.
    »Gehen Sie nicht hinaus!« rief Kathinka und sprang auf. »Bleiben Sie hier. Es war sicherlich nur der Wind.«
    »Verdammt! Sie haben recht!« sagte Zipka an der Tür.
    »Nicht wahr? Der Wind?«
    »Nein, da draußen schreit jemand. Vom Etang her. Donnerwetter, haben Sie ein Gehör. Ich sehe nach.«
    »Bleiben Sie hier … Bitte!«
    »Wenn jemand Hilfe braucht …«
    »Sie können mich doch nicht allein lassen.«
    »Ich bleibe ja in Sichtweite.«
    »Trotzdem …«
    »Ganz klar – hören Sie's? Hilfe …«
    »Wig …«, sagte Kathinka kläglich. »Wig, bitte, bleiben Sie.«
    »Stellen Sie sich in die Tür, und schwenken Sie eine Lampe. Vielleicht hat sich jemand im Schilf verirrt.«
    »Wer läuft denn um diese Zeit noch draußen herum?«
    »Genau das will ich wissen!« Er blieb stehen und wartete, bis sie mit der Lampe an seiner Seite war. Er legte den Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. »Tinka.«
    Sie wehrte sich nicht, sie trat nicht gegen sein Schienbein, wie sie es so oft angedroht hatte – sie hielt krampfhaft die Petroleumlampe hoch und begann, sie zu schwenken.
    »Sie zittern ja«, sagte Zipka leise. Eine unendliche Zärtlichkeit erfüllte ihn.
    »Es ist kälter geworden«, sagte sie und löste sich von ihm. »Wenn da draußen jemand herumgeistert, findet er jetzt den Weg zu uns …«
    »Und wenn er nicht mehr gehen kann?«
    »Warum sollte er denn nicht?«
    »Denken Sie an den Mann, der sich hier den Rückenwirbel brach und verhungerte, weil sich keiner um ihn kümmerte. Herumgeistern – Sie haben es gesagt, Tinka. Vielleicht ist es sein Geist …«
    Im Etang rauschte das Wasser. Der Wind wühlte es auf, das Schilf bog sich. Unbekannte Laute drangen aus der Nacht, Pfeifen und Raunen, Wispern und Stöhnen … Das Land lebte in einer unfaßbaren Weise.
    Zipka nahm das Gewehr unter den Arm und stiefelte los. Verzweifelt schwenkte Kathinka die Lampe und bekam kaum noch Luft vor Angst. Was ist bloß mit mir los? dachte sie. Ich bin doch nie ein ängstlicher Mensch gewesen. Ich bin auf Gerüsten herumgeklettert, die kaum ein anderer zu betreten wagte. Ich habe auf der Plattform von Hochhäusern gestanden, ungeschützt, die Pläne in den Händen und habe in den Augen der Männer das blanke Entsetzen gesehen.
    Und auf einmal, in einer alten Mühle in Frankreich, lerne ich, was Angst ist? Angst, weil dieses Ekel von einem Mann in die Nacht hinausgeht, einem unbestimmbaren Schrei nach? Was ist nur los mit dir, Kathinka Braun?
    Zipka tappte durch das hohe Schilf, durch das hohe harte Gras, dem See entgegen. Der Mond, frei im Himmel schwebend, beleuchtete hell das Land. Nach zwanzig Schritten blieb Zipka stehen und zog den Kopf tiefer zwischen die Schultern. Der Ruf! Da war er wieder. Ganz deutlich, links von ihm. Da war eine kleine Bucht zu sehen, zugewachsen mit Schilf und Röhricht, umgrenzt von windschiefen krüppeligen Weiden.
    »Hallo!« schrie Zipka gegen den Wind. »Hallo! Ich komme! Wo sind Sie?«
    Nach zehn Minuten fand er die Ruferin – ein junges Mädchen mit einem kindlichen Puppengesicht. Es lag in einem alten Ruderboot auf dem Rücken, klammerte sich an dem schmalen hölzernen Sitz fest, weinte und rief ab und zu mit heller Stimme um Hilfe.
    Auch als Zipka schon davorstand, starrte sie an ihm vorbei, als sehe sie ihn gar nicht, krallte die Finger in den Sitz und schrie immer weiter: »Hier! Hier! Hilfe …«
    Zipka beugte sich in das Ruderboot, schüttelte das Mädchen und löste seine Hände vom Sitz. Es war eine schwere Arbeit, ihre Finger hatten sich mit ungeheurer Kraft in das Holz gekrallt, mit einer Kraft, wie sie nur die höchste Verzweiflung hervorrufen kann …
    Als Zipka die Verunglückte emporhob, schrie sie gellend, dann lag sie schlaff in seinen Armen und ließ sich wegtragen. Mit dem letzten Schrei hatte sie die Besinnung verloren, ihr Kopf fiel nach hinten, und Zipka sah erst jetzt, daß sie aus einer Kopfwunde blutete. Das weißblonde Haar war rot und verklebt, wo es über die linke Schläfe fiel. Zipka blickte zurück in den Kahn. Kein Ruder, keine Stechstange, mit der man über die flachen Etangs fuhr, ein uraltes, verschimmeltes Boot, das einmal hellblau lackiert war, keine Bootsnummer, kein Name, kein Hinweis …
    Er

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