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Liebe läßt alle Blumen blühen

Liebe läßt alle Blumen blühen

Titel: Liebe läßt alle Blumen blühen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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darauf verkroch der Doktor sich in seine Bibliothek, um nachzulesen, welche merkwürdige Krankheit Bondeau befallen haben könnte. Es zeigte sich, daß in der gesamten medizinischen Literatur so ein krasser Fall von Scheintotsein noch nicht beschrieben worden war. Es war unverkennbar ein psychisches Problem, das Marcel Bondeau zum Wunderknaben machte, denn von da ab fiel er noch siebenmal in diese Todesstarre, wenn er in betrunkenem Zustand verprügelt wurde. Ein Totenschein wurde nicht mehr ausgestellt. Man brachte den Scheintoten lediglich nach Hause und legte ihn der unglücklichen Josephine vor die Haustür.
    Es ist notwendig, das alles zu wissen, wenn man verstehen will, warum der Marquis de Formentiére in dieser Nacht an das Fenster des Hauses von Marcel Bondeau klopfte.
    Wenn jemand nach Mitternacht an die Fensterläden hämmert und dabei brüllt: »Aufmachen, Bondeau! Kommen Sie heraus!«, dann kann das nur bedeuten, daß irgendein Mensch einen Rachefeldzug gegen Bondeau begonnen hat. Ungewohnt war dabei nur die Anrede mit ›Sie‹ …
    Bondeau huschte aus dem Bett, riß eine langstielige Axt von der Wand und spuckte in beide Hände. Josephine, seine brave Frau, bewaffnete sich mit einem Knüppel, den Marcel in weiser Voraussicht mit Nägeln gespickt hatte.
    »Wo warst du heute?« zischte sie ihn an. In ihrem langen grauen Leinennachthemd sah sie geradezu gespenstisch aus. »Was hast du wieder angestellt? Wen hast du beleidigt? Wer kann das sein?«
    »Ein Fremder!« Marcel lauschte und wog die Axt in den Händen. »Das muß ein Fremder sein. Er ruft: ›Kommen Sie heraus!‹ – Aber ich habe doch heute keinen Fremden getroffen …«
    »Ein Tourist vielleicht? Überlege! Hast du vielleicht einer Touristin in die Bluse gegriffen?«
    »Ich habe bei Pauillac eine Mauer hochgezogen! Ich hatte gar keine Zeit. Heute war ein ausgesprochen ruhiger Tag. Ich weiß wirklich nicht, was der da draußen von mir will!«
    »Das werden wir gleich erfahren!«
    Josephine ging zur Tür, und während Marcel sich breitbeinig hinstellte und die Axt hoch über den Kopf hob, was recht furchterregend aussah, stieß Josephine die Haustür auf. Draußen regte sich zunächst nichts. »Herein!« brüllte jetzt Bondeau heiser. »Komm herein, du Kerl! Hier stehe ich – Marcel Bondeau … Zeige dich!«
    »Ich muß mit Ihnen sprechen«, ertönte jetzt aus dem Dunkel der Nacht eine Stimme.
    »Hihi! Hoho!« rief Bondeau mit voller Kraft, mutiger geworden. »Steck den Kopf durch die Tür, oder ich mache dich zum Sterndeuter!«
    Josephine war couragierter als ihr Mann, wie ja überhaupt Frauen in prekären Situationen meist das Richtige tun.
    Josephine also drückte den nägelgespickten Knüppel an sich, trat hinaus in die Dunkelheit und rief: »Von mir wollen Sie ja nichts. Kommen Sie also näher …«
    Dann schwieg sie abrupt, ließ den Knüppel fallen und machte eine Art Knicks.
    Marcel, der diesen erstaunlichen Vorgang im sicheren Haus beobachtete, schnaufte laut und ließ die Axt sinken. Wenn Josephine demütig wurde, gab es nur drei Erklärungen: Der Pfarrer war gekommen, Dr. Bombette stand vor der Tür, oder aus Arles hatte sich ein höherer Polizeibeamter herbemüht. Jede dieser drei Möglichkeiten bedeutete aber Unangenehmes …
    Josephine trat zur Seite, und der nächtliche Klopfer kam in Marcels Blickfeld. Nun verstand Bondeau, warum seine Frau so demütig reagiert hatte. Er stützte sich auf den langen Axtstiel, kraulte sich in seinem lockigen Haar und grinste verlegen.
    »Herr Marquis …«, sagte er unsicher. »Na, sowas! Mitten in der Nacht! Sind Sie's wirklich?«
    »Darf ich hereinkommen?« fragte Raoul de Formentiére höflich. Dabei breitete er beide Arme aus. »Sie sehen, ich bin unbewaffnet!«
    »Haha! Ein guter Witz, Herr Marquis!« Bondeau lachte unsicher. Er stellte seine Axt weg und klopfte gegen seine Brust. »Ich jetzt auch. Sie wollen wirklich hereinkommen? In mein Haus? In diese Bude?«
    Er drehte sich um, rannte in den Wohnraum, rückte einen Stuhl zurecht, wischte ihn mit einem Lappen ab und schleuderte die Pastisflasche, die er am Abend zuvor ausgetrunken hatte, in eine Ecke. Von der Zimmerdecke brannte eine nackte Glühbirne und pendelte nun hin und her, als Bondeau mit dem Kopf dagegengestoßen war.
    Der Marquis benahm sich so, als sei er nichts anderes gewöhnt als diese Verkommenheit, setzte sich auf den Stuhl, schlug die Beine übereinander und wartete, bis auch die beiden Bondeaus einen Platz gefunden

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