Liebe lieber lebenslänglich: Roman (German Edition)
angeboten, aber tatsächlich ist es mir lieber, hier bei meiner Mutter zu sein. Ich hoffe, es stört sie nicht.
»Mum! Mum!«, rufe ich und bleibe gleich darauf wieder stehen. »Nein! Was hast du denn mit den ganzen Sachen gemacht, die in der Diele standen?«
»Oh, hallo«, sagt meine Mutter, die jetzt aus der Küche kommt und die Tür hinter sich zuzieht.
»Was zum …?« Ich bin sprachlos. Ich breite die Arme aus und drehe mich langsam im Kreis. »Wo ist das ganze Zeug hin?«
»Ich habe ein bisschen aufgeräumt.«
»Ein bisschen ! Das wäre selbst für eine Abbruchfirma ein Großauftrag gewesen.«
»Wie fühlst du dich, Schatz?« Sie kommt zu mir und streichelt meinen Arm.
»Traurig.«
Sie nickt, als wüsste sie Bescheid.
»Trinken wir einen Gin?«, frage ich, während ich vorausgehe zur Küche. »Ah!«, schreie ich laut, als ich die Tür öffne.
Der Fiesling von SJS Bau sitzt am Küchentisch. Er trägt ein gestärktes Hemd. Ich kneife die Augen zusammen angesichts der Szenerie. Ein Teller Gebäck steht auf dem Tisch. Es handelt sich um richtiges Gebäck vom Feinsten, dicke Kekse, die aussehen, als hätte jeder Einzelne davon deutlich über hundert Kalorien. Die einzigen Kekse, die ich in diesem Haus jemals gesehen habe, waren Vollkornkekse, die allenfalls zwanzig Kalorien pro Stück haben. Ich kann das gar nicht verarbeiten. Neben dem Teller mit Gebäck steht eine Teekanne. Ich wusste nicht einmal, dass wir so etwas besitzen. All das lässt vermuten, dass es sich hier um eine arrangierte Teestunde handelt.
Der Fiesling steht auf.
»Grace, freut mich.« Er streckt mir eine große, derbe Hand entgegen. »Ich bin John. Ich glaube, ich habe mich Ihnen noch gar nicht richtig vorgestellt.« Ich muss an Len denken, der im Krankenhaus liegt, und an Dads Grab und verweigere ihm kopfschüttelnd den Handschlag. Dann verlasse ich die Küche und gehe nach oben. Ich möchte mein altes Tagebuch haben. Ich möchte von einer Zeit lesen, in der ich glücklich war, weil ich das jetzt definitiv nicht bin. Ich hole es aus meinem Nachttisch und gehe damit nach unten. Auf dem Weg zur Haustür komme ich an der Küche vorbei, wo ich den Mann von SJS Bau gerade sagen höre: »Er hatte einen italienischen Akzent, sagen Sie? Wir haben also einen italienischen Schönredner mit teuren Schuhen und zwei Schlägertypen, aber mehr nicht.«
Ich bleibe einen Moment in der Diele stehen und überlege, ob ich gehen soll oder nicht. Ich beschließe, kurz den Kopf durch die Tür zu stecken und zu fragen, worüber sie sich gerade unterhalten.
»Entschuldigen Sie, Grace«, sagt der SJS -Mann und steht wieder auf, als er mich sieht. »Ich wollte nur mehr über diesen Kredithai herausfinden, mit dem Ihre Mutter Geschäfte gemacht hat.«
»Ich habe John gerade erzählt, dass der Mann ein wenig Ähnlichkeit hatte mit diesem einen Sänger aus dem Fernsehen.« Sie schnalzt mit der Zunge. »Wie heißt er noch gleich?« Jetzt kichert sie wie ein Mädchen. Sie steht offenbar auf den SJS -Mann. Dessen bin ich mir sicher. »Du weißt schon«, plappert sie und wird dabei rot. Seht ihr! Sie ist völlig daneben in seiner Gegenwart. »Ich meine den einen, mit dem Katie Price was hatte in diesem Dschungelcamp. Er sieht genau so aus.«
Ich spüre, dass meine Augen immer größer werden, während ich Mums Worte sinken lasse.
»Ein Italiener, der aussieht wie Peter Andre?«
»Peter Andre! Danke, Grace.«
Meine Mutter kichert wieder in Richtung des fiesen John. Aber der sieht mich an. Er hat meinen Gesichtsausdruck bemerkt.
»Denken Sie, dieser Mann ist Ihnen schon einmal begegnet?«, fragt er mich.
Ich stehe unbeweglich im Türrahmen und lege die Hände vor mein Gesicht.
»Wie heißt der Mann?«, keuche ich durch meine Hände.
»Laurence«, antwortet meine Mutter.
»Oh«, sage ich.
Einen Moment lang dachte ich, es wäre Ricardo, mein italienischer Klient. Ich dachte schon, ich hätte den Betrüger direkt bis vor die Tür meiner Mutter geführt. Wenigstens eine Katastrophe, für die ich nicht persönlich verantwortlich bin.
»Er heißt Laurence Olivier. Seine Mutter ist Engländerin, und offenbar hatte sie eine Schwäche für den Schauspieler.«
»Sag das noch mal.«
»Seine Mutter ist ein großer Fan von Laurence Olivier, darum hat sie ihren Sohn nach dem Schauspieler benannt. Kennst du Olivier? Aus alten Filmen?«
»Oh, Mum.«
»Grace, was hast du?«
»Laurence ist mein Kunde. Mir hat er erzählt, er heiße Ricardo beziehungsweise Richard,
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