Liebe mit Schuss
werden zu Drogensüchtigen und dann zu Kriminellen, um ihre Drogen bezahlen zu können.« Harlans Gesicht wurde traurig. »Unsere Gefängnisse sind voll von solchen jungen Menschen.«
Er trat ans Rednerpult, zog ein Taschentuch aus seiner Tasche und wischte sich die Augen ab. »Vergebt mir«, sagte er, »aber das alles wollte ich eigentlich gar nicht sagen. Ich hatte eine ganz andere Predigt vorbereitet. Aber ich habe heute früh lange im Gebet verbracht, und das sind die Worte, die der Herr mir eingab.«
Harlans Blick schweifte über die andächtig aufschauenden Gesichter, und als er nun sprach, war seine Stimme nur noch ein Flüstern. »Aber die größten Sorgen machte sich Mutter Theresa nicht um den Hunger in der Welt, um Krankheit oder auseinander fallende Familien. Diese Frau, die das allerschlimmste Elend gesehen hat, das es auf der Welt gibt, die unter den Ärmsten der Armen lebte, die die schlimmsten Krankheiten und Seuchen erlebte, diese Frau machte sich über etwas ganz anderes die größten Sorgen, ein ganz anderes Leid, und dieses Leid, Brüder und Schwestern, ist die Einsamkeit.«
Nun hob er die Stimme, und seine Worte überschlugen sich fast, als könne er sich das Folgende gar nicht schnell genug von der Seele reden. »Einsamkeit. Das Gefühl der Isolation, der Gedanke, seinen Mitmenschen völlig gleichgültig zu sein. Das zerfrisst einem das Herz und die Seele, denn wenn ein Mensch unter Einsamkeit leidet, dann fühlt er sich ungeliebt, und wo keine Liebe herrscht, da ist nichts!« Harlan schlug aufs Rednerpult und brüllte das Wort heraus. »Nichts!«
Die Versammelten riefen: »Amen!«
Harlan sprang vom Podest, stürmte durch den Mittelgang, und die Leute verdrehten die Köpfe, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Vor dem Eingangsportal blieb er stehen und drehte sich um. »Ich sage es noch einmal!«, brüllte er. »Wo keine Liebe ist, da ist nichts! Die Liebe ist die stärkste Macht auf der Welt, Brüder und Schwestern. Wo Liebe ist, ist keine Einsamkeit. Wo Liebe ist, da ist Hoffnung.« Die Menge jubelte und erhob sich erneut von den Sitzen.
Harlan eilte wieder nach vorne und stieg auf die Tribüne. Die Leute jubelten noch immer.
»Liebe, Brüder und Schwestern. Mein Herz jauchzt vor Glück, allein bei dem Wort. LIEBE!«, rief er. »Dieselbe Liebe, die Gott uns zeigte, als er seinen einzigen Sohn zu uns auf die Erde schickte, auf dass wir das ewige Leben haben. Ruft mit mir: Amen!«
Die Menge brüllte das Wort. Der Chor stimmte ein mitreißendes Lied an. Der Gesang schallte durch den ganzen Kirchenraum, und Harlan begann zu tanzen, den Blick gen Himmel gerichtet, die Arme nach oben gestreckt. Er klatschte im Takt zur Musik in die Hände, und auch der Chor begann zu tanzen und die Arme nach oben zu strecken. Nun hielt es auch die Kirchgänger nicht länger auf ihren Bänken.
Als die letzten Akkorde verklungen waren, wurde Harlan wieder ernst. »Ich habe heute ein ungewöhnliches Ansinnen an euch«, erklärte er. »Ich weiß, dass diese Gemeinschaft Geld braucht, um existieren zu können und dass es viele Hungernde in fernen Ländern gibt, doch heute Abend möchte ich euch bitten, eine Liebesgabe für jene in eurer Heimatstadt zu geben, welche nicht wissen, woher sie die nächste Mahlzeit nehmen sollen. Eine Gabe für eure Nachbarn«, fügte er hinzu. »Für jene traurigen Gesichter, die wir vor dem Arbeitsamt stehen sehen, für jene Jungen und Mädchen, die mit löchrigen Schuhen zur Schule gehen müssen. Nicht wenige davon sind heute Abend unter uns«, fügte er leise hinzu.
»Ich werde, so lange ich in dieser Stadt bin, keinen Cent für meine Gemeinschaft einsammeln, und ich werde das Geld auch nicht in irgendein Land schicken, von dem ihr noch nicht einmal etwas gehört habt. Das Geld, das ihr heute Abend spendet, wird hier in Sweet Pea bleiben, und ich werde dafür sorgen, dass damit leere Vorratsregale gefüllt werden und dass unsere Kinder das Nötige erhalten. Das ist es, worum es mir geht, meine lieben Brüder und Schwestern, das ist es, worum es unserer Gemeinschaft der Liebe geht. Es geht um die Liebe, um das Geben, und nur das ist es, was die Einsamkeit vertreibt.
Ich weiß, dass hier einige unter uns sind, die nicht viel geben können, aber zu diesen sage ich Folgendes: Der Herr kennt euer Herz. Folgt eurem Herzen. Und jeden Cent, den ihr gebt, werde ich zehnfach aufwiegen.«
Stürmischer Applaus.
Jamie schaute sich um und blickte in lauter hoffnungsstrahlende
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