Liebe mit Schuss
Schulter liegen. »Ich komme manchmal hierher, um mich zu entspannen oder an einer Predigt zu arbeiten.«
Oder um Frauen zu treffen, dachte Jamie. »Wir brauchen alle gelegentlich unseren Rückzugspunkt«, meinte sie. »Ständig unterwegs zu sein, muss ganz schön hektisch und anstrengend sein.«
»Ja, das ist es.« Er nahm sie bei beiden Händen. »Umso mehr habe ich mich auf unser Treffen gefreut. Möchten Sie etwas trinken?« Er wies mit einer Kopfbewegung auf einen Obstkorb und eine Flasche Wein. »Ich trinke zwar gewöhnlich nicht, aber dies hier hat mir ein lieber Freund geschenkt und es wäre doch schade, den guten Wein verkommen zu lassen. Es ist Rotwein, und den mag ich nicht sonderlich; ich empfinde ihn als bitter. Aber wenn Sie möchten, trinke ich gerne ein Glas mit Ihnen.«
Bitter? Das war ja ausgezeichnet. Jamie nickte. »Ja, trinken wir ein Glas.«
Er grinste und entkorkte die Flasche. »Ich habe mir die Freiheit erlaubt, ein Essen für uns zu bestellen. Ich hoffe, Sie mögen Fisch.« Er blickte auf und ertappte sie dabei, wie sie ihn anstarrte. »Stimmt etwas nicht?«
»Sie sehen müde aus, Harlan.« Und das stimmte. »Warum gehen Sie nicht schon mal raus auf den Balkon und legen die Füße hoch? Ich mache das hier schon.«
Er nickte. »Aber Sie kommen doch auch gleich, nicht?«
»In einer Minute.« Jamie wartete, bis er draußen war, bevor sie Wein in zwei Gläser einschenkte. Ihre Hände begannen wieder zu zittern, als sie nun das Abführmittel hervorholte. Sie schüttete eine großzügige Menge davon in seinen Wein, dann rührte sie sorgfältig um, wobei sie darauf achtete, dass auch ja nirgends irgendwelche Ränder zurückblieben. Es würde etwa zwanzig Minuten dauern, bis es wirkte und dann könnte sie sich aus dem Staub machen.
»Ich weiß, was Sie da tun«, verkündete Harlan, als sie zu ihm hinaustrat.
Jamie erstarrte vor Schreck. »Wirklich?«
»Sie wollen mich bemuttern.«
Ihr fiel ein Stein vom Herzen. »Und Sie sehen aus, als könnten Sie ein wenig Fürsorge gebrauchen. Da, trinken Sie das. Vielleicht hilft’s ja.«
Er nahm das Glas. »Sehe ich wirklich so fertig aus?«
»Oh, tut mir Leid, ich wollte Sie nicht beleidigen.«
»Nein, nein, ehrlich gesagt bin ich Ihnen sogar dankbar für Ihre Ehrlichkeit. Ich habe in letzter Zeit nicht sehr gut geschlafen. Bis auf letzte Nacht. Aber ich schleppe wohl immer noch ein Defizit mit mir herum.« Er holte eine kleine Tablettenschachtel heraus, öffnete sie und schüttete sich mehrere kleine Pillen auf die Hand.
Jamie fiel auf, dass seine Hände zitterten. »Geht es Ihnen auch wirklich gut?«, fragte sie besorgt.
»Ach, bloß ein bisschen Kopfweh. Die sind gut dagegen.«
Er schüttete sich die Tabletten in den Mund und hob das Weinglas an die Lippen.
Jamie ließ ihn nicht aus den Augen, während er einen Schluck nahm. Ihm schien nichts am Geschmack des Weins aufzufallen. »Chronischer Schlafmangel rächt sich früher oder später immer. Woran liegt’s denn? Bedrückt Sie was?«
Er zuckte die Achseln. »Ach, bloß der übliche Stress, aber damit will ich Sie nicht belasten. Wir sind hier, um abzuschalten, nicht wahr?« Er leerte sein Glas. »Vielleicht sollte ich noch eins trinken.«
Jamie musterte ihn gründlich. »Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, Harlan, aber ich halte es für keine gute Idee, Alkohol und Tabletten zu mischen.«
Er nickte. »Vielleicht haben Sie Recht.«
»Dieser dunkelblaue Anzug steht Ihnen wirklich gut«, meinte Jamie nach kurzem Überlegen. »Das ist definitiv die Farbe für Sie. Bestimmt haben Sie jede Menge Verehrerinnen unter Ihren Schäfchen.«
Er lächelte und zog am Knoten seiner Krawatte, als wäre sie ihm zu eng. »Nun ja, ich kann mich jedenfalls nicht über einen Mangel an selbst gebackenen Kuchen beklagen.«
»Kann ich mir vorstellen«, meinte sie neckend.
»Wissen Sie, es gibt in meiner Gemeinde viele einsame Witwen, die einfach jemanden brauchen, mit dem sie reden können. Nun, ich tue mein Bestes.«
»Das glaube ich gern.« Sie seufzte. »Ich weiß sehr gut, wie das ist, Harlan. Wenn man niemanden hat, bei dem man sich mal richtig aussprechen kann. Wir alle brauchen so jemanden. Jemanden, dem wir vertrauen können, der uns nicht hintergeht.«
»Solche Leute sind rar«, meinte er.
»Ich jedenfalls habe immer ein offenes Ohr für meine Freunde«, sagte Jamie leise. »Was nützt einem ein Freund, wenn man nicht mit ihm reden kann? Ich meine, wirklich reden. Seine Sorgen abladen, sich
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