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Liebe oder so

Liebe oder so

Titel: Liebe oder so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Montag
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ihre Mutter in Ordnung ist, dafür ist ihr Dad ein harter Knochen. Ich schätze, er glaubt, dass ihm die Nazis seine einzige Tochter rauben. Warst du damals dabei, als wir die Reportage über die Nürnberger Prozesse geguckt haben? Der erste Abend bei ihren Eltern lief ganz ähnlich ab. Sie wollten alles, aber auch wirklich alles über mich wissen. Irgendwann wusste ich mir nicht mehr zu helfen und sagte, dass ich Jude und beschnitten sei und ihnen das jederzeit beweisen könne. Da war endlich Ruhe.“
    „Wie haben sie darauf reagiert?“
    „Grace hat sich verschifft vor Lachen und nennt mich nur noch Joshua. Ihre Eltern dagegen haben einfach die Klappe gehalten und so getan, als sei nichts. Ich weiß nicht, ob aus Betroffenheit oder weil sie es normal fanden, das klarzustellen. Jedenfalls bin ich seitdem der absolute Sonderling der family, so ne Art Hofnarr. Meistens muss Onkel Joshua mit den Nichten von Grace im Nebenzimmer spielen, während die Erwachsenen über Wichtigeres reden. Aber das ist schon in Ordnung, und in ner Militärfamilie muss man sich schließlich auch in die Hierarchie einordnen können. Außerdem mag ich ihre Nichten.“
    Ich hing meinen Gedanken nach. Vielleicht hatte er ja Recht, sah sein Schicksal es vor, dass er diese Grac e aus New Jersey zu heiraten hatte. Womöglich wartete auch auf mich irgendwo im Kongo oder in der Taiga meine Traumfrau auf mich, während ich mich hier damit abmühte, mit Marie ins Reine zu kommen. Mich interessierte nun mal kein anderes Mädchen auch nur im Entferntesten, was sollte ich machen? Vor uns ragte ein Berg von Problemen auf, und während Marie über meiner Schulter hing und sich tot stellte, schlug ich meine ersten Karabiner in den Fels ein.
    Aber war das nicht eigentlich egal, hatte ich denn wirklich was Besseres zu tun? In der Antike waren Männer der Liebe wegen in die Schlacht gezogen, was waren dagegen schon die Herausforderungen unserer Zeit? Wenn es schief ging, würden wir uns wieder trennen. Marie würde ihr Leben mit Jochen wieder aufnehmen und ich auf meine Couch zurückkehren. An dem Punkt wäre ich früher oder später sowieso angelangt, im Grunde hatte ich es doch gut getroffen.
    Marie gesellte sich zu uns, die Hände voller Gläser.
    „Hey, was hast’n mit dem gemacht?“, fragte sie Chris und wies mit einer Kopfbewegung in meine Richtung. „Er hat schon wieder seinen melancholischen Blick drauf.“
    „ Nichts weiter. Ich hab ihm gestanden, dass dein Baby von mir ist, mehr nicht.“
    „Aber das stimmt doch gar nicht“, meinte sie, „es ist von Matthias, ich dachte, das hatten wir schon geklärt. Weißt du, diese Tests sind wirklich eindeutig.“
    Sie trug kleine Schleifen im Haar, diese Frisur mochte ich mit am liebsten an ihr. Das schlichte Abendkleid, das ich ihr kürzlich gekauft hatte, stand ihr genauso gut wie ihr übliches Outfit. Mir war schleierhaft, wie sie es anstellte, mich immer wieder aufs Neue umzuhauen. Abgesehen von dem Zwischenfall in Amsterdam nahm ich andere Frauen überhaupt nicht mehr zur Kenntnis.
    Wir füllten die Gläser und setzten uns mit ein paar Häppchen zu Carolin, die sich gerade mit Remys schwedischer Freundin unterhielt. Sie hieß Linn und machte in Deutschland ein Auslandspraktikum als Informatikerin, die Zusammenhänge verstand ich nicht so genau. Ursprünglich kam sie direkt aus Stockholm, wo sie mit einem gewissen Martin verlobt war.
    Wie es weitergehen sollte, wusste sie nicht zu beantworten. Bis zu ihrer geplanten Rückkehr lagen noch zwei Monate Deutschland vor ihr. Bis dahin musste sie sich entscheiden, ob sie bei Remy blieb oder wieder nach Schweden ging, ob sie es Martin sagte oder nicht. Ihre Eltern lebten getrennt, der Vater war Wissenschaftler und spielte am Wochenende Jazz mit Freunden. Linns Hund hieß Buck, sie hatte drei ältere Brüder, eine kleine Schwester und Angst, das Falsche zu tun. Das alles hatte Carolin trotz aller Sprachschwierigkeiten an einem einzigen Abend aus ihr herausgequetscht.
    So weit war ich mit Marie noch lange nicht. Unsere Kommunikation war im Vergleich dazu in der Steinzeit hängen geblieben. Seit ein paar Tagen wusste ich, dass Jochen aus dem Krankenhaus raus war, mit diversen Knochenbrüchen und Prellungen zu Hause lag und dass Marie sich Tag für Tag um ihn kümmerte. Für ihn einkaufte, ihm Essen kochte, die Wäsche wusch und ihn wahrscheinlich auch noch aufs Klo brachte. Ungefragt hatte sie mir davon erzählt, als wolle sie sich von irgendwas reinwaschen,

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