Liebe ohne Schuld
in West Healthy. Burke mochte ihn und schüttelte ihm herzlich die Hand.
»Wir haben uns ja lange nicht gesehen, Mark.«
»Ja, das stimmt. Willkommen zu Hause, Burke, und meinen herzlichen Glückwunsch zur Hochzeit mit Lady Rendel! Eine wunderschöne, junge Dame.«
Nach einigen weiteren Höflichkeiten kam er zum Wesentlichen. »Ich habe Mellie untersucht. Der Mann hat sie tatsächlich verletzt. Ich kann nicht sagen, ob sie noch Jungfrau war, doch er hat sie schrecklich brutal behandelt.«
»Ich nehme an, daß Mellie noch Jungfrau war. Sie ist ja noch nicht einmal fünfzehn.«
»So jung ist das nun auch wieder nicht, Burke. Es ist mir jedenfalls gelungen, die Blutung zum Stillstand zu bringen. Im Augenblick ist Mellie natürlich ein wenig schwach, aber da sie gesund ist, wird sie sich rasch erholen. Haben Sie den Schuldigen schon gefunden?«
Burke schüttelte den Kopf. »Was meinen Sie, sollte man den Mann bestrafen?«
»Da ich das Mädchen gesehen habe, kann ich nur mit ja antworten. Sie hat ihn mit Sicherheit nicht ermuntert, sondern ist so brutal behandelt worden, wie man das keinem menschlichen Wesen wünschen kann!«
»Für diese Aussage bin ich sehr dankbar«, sagte Burke. »Werden Sie noch einmal nach Mellie sehen?«
»Aber selbstverständlich«, erwiderte Doktor Brody und verabschiedete sich.
Arielle war nicht im Bett, sondern saß in einem blaßblauen Seidenkleid am Fenster. Ihr Haar war zu einer Krone geflochten, und sie sah sehr schmal, hübsch und gleichzeitig ein wenig traurig aus.
»Hallo!« begrüßte Burke sie und küßte sie auf die Wange.
Sie zuckte nur ganz leicht zusammen, was ihn fast glücklich machte. »Mellie wird wieder gesund werden. Ich habe mich soeben mit Doktor Brody unterhalten.«
»Da bin ich aber erleichtert«, erwiderte Arielle. Dann sah sie zu ihm auf. »Es ist scheußlich, nicht wahr?«
»Ja.«
»So hilflos und schwächer als der andere zu sein – es ist zum Fürchten!«
»Ich verstehe dich«, erwiderte er, während er sie hochzog und zärtlich umarmte. »Ich werde den Mann finden, mein Schatz, und ich werde ihn bestrafen.« Es war ihm völlig ernst. Da es für dieses Verbrechen keine gesetzliche Strafe gab, hatte er als Herr von Ravensworth die Pflicht, auf seinem Besitz nach dem Rechten zu sehen. Schließlich war er für alles verantwortlich.
Sanft streichelte er ihren Rücken. Mrs. Pepperall und auch Sir Edward Pottenham hatten beide das Mädchen verantwortlich gemacht, das Opfer und nicht den Verbrecher! Wie hätte er wohl reagiert, wenn er nicht durch Arielle so empfindlich für dieses Thema geworden wäre? Hätte sie sich so viele Gedanken gemacht, wenn sie nicht selbst mißbraucht worden wäre? Er konnte nur hoffen, daß er in jedem Fall so reagiert hätte.
Am späteren Nachmittag spazierte Burke mit Arielle durch den Park zu einem kleinen Pavillon, den bereits Burkes Großvater errichtet hatte. Die Sonne stand schon tief, und die warme Luft duftete wunderbar nach frischem Heu. Burke fühlte sich großartig und beobachtete voller Freude, wie Arielle ihr Gesicht in die Sonne hielt.
Rasch holte er eine Decke aus dem Pavillon und breitete sie unter den tiefhängenden Ästen einer Eiche aus. Er bettete Arielles Kopf auf seinen Schoß, so daß sie sich ausruhen konnte. Dabei wanderten ihre Blicke zum sonnendurchfluteten Blättergewirr über ihren Köpfen hinauf.
»Hier ist es schön. Hier kann nichts Böses passieren.«
»Das würde ich auch nicht zulassen«, meinte Burke und lehnte sich gegen den Stamm. »Liegst du bequem?«
»Hm.«
Als er schon glaubte, daß sie eingeschlafen sei, sagte sie ganz plötzlich: »Dieses Warten ist unerträglich, Burke. Es scheint irgendwie kein Ende zu nehmen.«
»Wir werden den Mann bestimmt ausfindig machen, Arielle. Cerlew wird noch einige Fachleute engagieren.«
»Das meine ich nicht.«
»Was meinst du denn dann? Worauf wartest du?«
»Daß du endlich verlangst, daß ich dich befriedige. Oder wartest du nur, bis es mir wieder gut geht?«
»Weshalb sprichst du ausgerechnet jetzt davon? Möchtest du, daß ich etwas gegen deinen Willen tue?«
»Ich bin ziemlich realistisch. Ich würde es nur gern vorher wissen, damit ich mich darauf einstellen kann. Darauf zu warten, daß du irgendwann …« Ihre Stimme erstarb.
Vielleicht wollte sie ihn dazu bringen, gegen ihren Willen zu handeln, um ihm leichter davonlaufen zu können. Nun, das sollte ihr nicht gelingen! Er wickelte sich eine Haarlocke um den Finger. »Dein Haar ist
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