Liebe ohne Skrupel
geglänzt. Aber es war ihr Gesicht gewesen, das seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Ihre herrlichen, feinen Züge hatten dieselbe unverhohlene Neugier und Aufregung gezeigt wie das Gesicht des Jungen, der neben ihr gesessen hatte. Der Stolz in ihrem Blick hatte ihm verraten, daß sie eine Frau sein mußte, die es gewohnt war, Befehle zu erteilen.
Ihre riesigen grünen Augen jedoch hatten äußerst argwöhnisch geblickt. Gareth, dessen Blick während der jahrelangen Jagd nach Banditen derart geschärft worden war, daß er auch das kleinste Detail bemerkte, war die Vorsicht, die sie zeigte, nicht verborgen geblieben. In der Tat war es gerade diese Vorsicht gewesen, die ihm schließlich den letzten Hinweis auf ihre Identität gegeben hatte.
Die gutgekleidete Lady auf der Mauer hatte ein sehr persönliches Interesse an den Rittern, die in ihre Ländereien eingedrungen waren.
Gareth hatte gewußt, daß er ein kalkulierbares Risiko einging, als er beschloß, zu der Mauer hinüberzureiten und sie direkt anzusprechen. Er hatte sogar kurz befürchtet, daß sie einfach hinter der Mauer im Klostergarten verschwinden könnte. Aber das hatte sie nicht getan. Wie er vermutet hatte, war sie viel zu stolz gewesen, um sich einfach zurückzuziehen.
Beim Näherkommen hatte er die Erde auf ihrem Kleid bemerkt, und er hatte sich gesagt, daß das ein gutes Zeichen war. Die Lady of Desire war sich also nicht zu schade dafür, ihre Hände auch einmal schmutzig zu machen.
Gareth schüttelte die Erinnerungen ab. Er warf das nach Kräutern duftende Handtuch beiseite und griff nach einer frischen grauen Tunika.
Während er sich anzog, blickte er hinüber zu den großen Wandteppichen, die die Steinwände des Zimmers wärmten. Blumen und Kräuter, die Haupteinnahmequellen von Desire, schienen auf der Insel ein beliebtes Thema zu sein. Selbst die herrlich gewobenen Wandbehänge zeigten Gartenszenen.
Dies war ein Land duftender Blüten und üppigen Grüns. Wer hätte jemals gedacht, daß der Höllenhund von Wyckmere an einen solch hübschen, wohlriechenden Ort kommen würde, um sich dort niederzulassen, überlegte Gareth.
Aber er war durchaus zufrieden mit der Isle of Desire. Er spürte, daß sie das besaß, wonach er immer gesucht hatte.
Er schlang seinen langen Ledergürtel um die Hüften und ging barfuß hinüber zu einem der schmalen Fenster, die in die Steinmauer eingelassen waren. Die warme, duftende Brise erinnerte ihn an Clares Haar.
Gareth konnte nicht umhin, den Geruch ihrer dunklen Haare einzuatmen, als er sie vor sich auf dem Pferd durch das Dorf und zur Burg hinauf geführt hatte.
Der Blumenduft hatte sich mit ihrem eigenen süßen Duft vermischt. Gareth war wie betäubt gewesen. Sie roch anders als jede Frau, der er zuvor begegnet war.
Der dezente, berauschende Duft und ihre sanft gerundete Hüfte, die sich gegen sein Bein preßte, hatten Gareth nicht unberührt gelassen. In seinem Inneren war ein heftiges, unbekanntes Verlangen erwacht.
Er runzelte die Stirn und biß die Zähne zusammen, als er sich an die rohe Gewalt, die in diesem Verlangen lag, erinnerte. Er mußte dafür sorgen, daß es nicht übermächtig wurde. Er hatte nicht so lange überlebt, indem er sich von seinen Gefühlen leiten ließ.
Ulrich sah ihn an. »Ihr habt also die Lady of Desire einfach so erkannt?» Er schüttelte bewundernd den kahlen, glänzenden Kopf. »Ich muß Euch gratulieren, Gareth. Wie gewöhnlich ist es Euch gelungen, die Tatsachen zusammenzuzählen und zu dem richtigen Ergebnis zu kommen.«
»Das war nicht besonders schwierig.« Gareth setzte sich auf einen Hocker, um ein Paar weicher Lederschuhe anzuziehen. »Aber genug davon. Ich würde lieber hören, was Ihr über diese Entführungsgeschichte herausgefunden habt.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Wie Ihr wißt, habe ich gestern abend ein paar Krüge Bier mit den Leuten in der Taverne von Seabern geleert. Das Interessanteste, was ich dabei erfahren habe, ist, daß alle Beteiligten, das heißt Sir Nicholas, der gesamte Haushalt und die Lady selbst, darauf bestehen, daß es keine Entführung war.«
Gareth zuckte mit den Schultern. »Das war zu erwarten. Schließlich geht es um den Ruf der Lady.«
»Ja. Es heißt, sie habe Sir Nicholas einen überraschenden Besuch abgestattet und sei vier Tage geblieben.«
»Und danach hat er ihr die Ehe angeboten?«
»Ja. Aber sie hat abgelehnt.« Ulrich grinste. »Ihr müßt zugeben, daß das unter den gegebenen Umständen einen gewissen
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