Liebe, Sex und andere Katastrophen
deines Lebens Hausarrest bekommen?«
Lauren ging kommentarlos an ihrer Freundin vorbei. »Ich verstehe ja, dass du unter Liebeskummer leidest, aber das mit deinen Noten musst du sofort ändern, sonst steigst du im Herbst nicht auf und ich …« Ina stockte, als sie Laurens erstarrten Blick bemerkte.
»Was ist da? Oh …«
Noel Maison hockte auf der schulterhohen Mauer vor dem Schulgelände. So wie fast jeden Tag seit der Schlägerei mit Ben. Laurens Nackenhaare stellten sich auf.
»Das gibt’s ja nicht! Der ist schon wieder da«, stieß sie aus und steuerte auf ihn zu.
»Stalkst du mich?«, fuhr sie ihn an, worauf er von der Mauer sprang und neben ihr landete.
Er trug verwaschene Jeans und ein verblichenes T-Shirt. In der einen Hand hielt er eine braune Lederjacke, in der anderen einen Sturzhelm.
»Nein«, antwortete er gelassen, »ich möchte nur eine Chance bekommen, meinen Fehler wiedergutzumachen.«
Im Gegensatz zu Ben, dessen Nase immer noch in allen Farben schillerte, war Noels Wunde an der Unterlippe schon fast verheilt.
»Ach ja?«, fragte sie. »Willst du Ben einer Gehirnwäsche unterziehen? Oder die Zeit zurückdrehen?«
Sekundenlang blickte er sie verdutzt an.
»Sorry, zaubern kann ich leider nicht.«
»Woher wusste ich das bloß?«
»Aber«, sprach er schnell weiter, »ich gehe auf eine Privatschule und könnte dir Nachhilfe geben. Ich bin in fast allen Fächern gut.«
Sie fasste es nicht. Für wie clever hielt er sich?
»Aha, und du denkst, weil du auf so eine Yuppieschule gehst, bist du was Besseres?«
»Nein, so hab ich das nicht gemeint. Ich will es echt wiedergutmachen. Irgendwie.«
»Dann lass mich in Ruhe!«
Sie ließ ihn stehen und ging zu Ina zurück.
»Was hat er denn gesagt?«
»Nichts!«
»Aber du bist so wütend.«
»Hält sich für was Besseres, weil er auf eine Privatschule geht und will mir Nachhilfe geben.«
»Nachhilfe? In was?«
»Weiß der Geier! Komm, lass uns schnell verschwinden, bevor …«
»Aber du hättest Nachhilfe dringend nötig.«
»Ina!«
»Stimmt doch.«
Noel fuhr auf seiner Cross an ihnen vorbei und hob lässig die Hand zum Gruß.
Ina winkte zurück. »Sorry«, meinte sie schuldbewusst, aber Lauren rauschte bereits über den Parkplatz und steuerte auf die Bushaltestelle zu.
***
Am nächsten Tag war er wieder da. Und die ganze Woche darauf auch. Ina hielt schon zwangsläufig Ausschau nach ihm, wenn sie das Schulgelände verließen.
»Du bist mir eine schöne Freundin«, warf Lauren ihr vor. »Benimmst dich, als wäre er dein bester Freund.«
»Ist nicht wahr. Er tut mir nur leid …«
»Er tut dir leid?«
Schmollend schob Ina die Unterlippe vor. »Ja. Er bemüht sich so. Gib ihm doch eine Chance.«
»Auf welcher Seite stehst du eigentlich?«
»Natürlich auf deiner.«
»Das sieht aber nicht so aus. Außerdem, was schlägst du denn vor, wie er es ausbügeln könnte?«
Darauf wusste Ina keine Antwort. »Trotzdem glaube ich, dass du …«
»Ich will nichts hören!«
»Aber …«
»Nein! Er kann mich mal!« Die letzten Worte sprach sie laut aus, als sie an der Mauer vorbeigingen. Noel zeigte keine Reaktion. Obwohl das ihren Zorn schürte, musste sie sich insgeheim eingestehen, dass seine Hartnäckigkeit sie irgendwie beeindruckte.
***
***
Am Samstagnachmittag saß Lauren auf der Verandatreppe ihres Elternhauses, den Kopf ans Geländer gelehnt, das Wirtschaftskundeheft auf dem Schoß. Am Dienstag stand wieder ein blöder Test an, den sie nicht in den Sand setzen durfte, weil sie in dem Fach sowieso schon nachhing. In Mathe, Deutsch und Biologie hatte sie gerade noch die Kurve gekriegt und jeweils eine Zwei geschrieben. Wenn sie diesen Kurs beibehielt, müsste ihre Mom gar nichts von dem zwischenzeitlichen Notentief erfahren.
Der Sommer hatte noch nicht einmal begonnen, aber die Sonne schien bereits so stark vom wolkenlosen Himmel, dass sich ihre Haut an den Armen schon leicht rötete. Unweigerlich schweiften ihre Gedanken wieder ab zu Ben. Immer noch beherrschte er ihr Denken wie nichts anderes sonst.
Dass er so offen mit Eileen knutschte und Händchen hielt, tat weh. Aber sie musste es überwinden.
Irgendwie.
Ina hatte recht. Einerseits war Ben ein egoistisches Arschloch. Andererseits konnte sie ihn auch verstehen. Es wäre ihre erste gemeinsame Nacht gewesen und sie hatte es verbockt. Maßlos. Sein Gesicht tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Das kurze blonde Haar, die blauen Augen, der helle Bartschatten, der
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