Liebe um Mitternacht
über den Orientteppich bis vor seinen Schreibtisch. »Ich glaube eher, dass du die ganze Nacht unterwegs warst.«
»Julia, es gibt gewisse Dinge, über die ein Gentleman nicht spricht, nicht einmal mit seiner Schwester.«
»Hah! Ich habe es doch gewusst. Du warst wirklich die ganze Nacht unterwegs.« Aus ihren Augen leuchtete die Neugier. »Ist es denn diesmal wenigstens ernst, oder ist es nur eine weitere deiner langweiligen kleinen Affären?«
»Ich habe gar nicht gewusst, dass du mein Privatleben langweilig findest. Ganz abgesehen davon, dass deine Meinung nicht von Bedeutung ist, wenn man bedenkt, dass es sich hier um mein Privatleben handelt und nicht um deines.«
Sie runzelte die Stirn, der Ton seiner Stimme hatte sie offensichtlich überrascht. »Ich wollte dich nicht beleidigen.«
Jetzt fühlte er sich schuldig. Er hatte sie gar nicht so anfahren wollen. »Ich weiß. Ich entschuldige mich auch für meine schlechte Laune. Wilson hat Recht, ich brauche ein wenig Schlaf.«
»Ich nehme an, ich finde deine Affären langweilig, weil auch du sie die meiste Zeit langweilig zu finden scheinst«, meinte sie, jetzt nachdenklich geworden.
»Verzeih mir, Julia, aber ich glaube, ich habe in dieser Unterhaltung den Faden verloren. Und ich möchte ihn auch gar nicht wiederfinden.«
Sie nickte, als habe er damit ihre Meinung insgeheim bestätigt. »Das ist es natürlich. Ich hätte dir schon viel früher meine Meinung darüber sagen sollen. Ich habe deine Affären schon immer recht langweilig gefunden, aber der Grund dafür war der, dass auch du immer recht gelangweilt zu sein schienst.«
»Eine solche Sache sehe ich nicht als Quelle der Inspiration an.«
»Offensichtlich nicht. Du behandelst deine romantischen Verbindungen mit den Damen genauso, wie du auch deine geschäftlichen Verbindungen behandelst. Sie sind immer sehr gut durchdacht und nach deinen eigenen Regeln geführt. Du zeigst niemals ein starkes persönliches Engagement. Wenn eine Verbindung endet, scheinst du sogar immer recht erleichtert zu sein, als hättest du eine Aufgabe abgeschlossen und könntest jetzt zu einem anderen Projekt übergehen.«
»Ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest.«
»Ich spreche von der Tatsache, dass du niemals zulässt, dass du dich verliebst, Adam.« Sie hielt inne, um ihre nächsten Worte noch zu unterstreichen. »Onkel Wilson und ich sind der Meinung, dass es höchste Zeit dazu ist.«
Er biss die Zähne zusammen. »Julia, ich möchte dich warnen. Ich habe mir gerade eine Lektion von Wilson über dieses Thema anhören müssen. Ich bin nicht in der Stimmung für eine weitere Lektion.«
Sie ignorierte seine Worte, schob ihren Rock zur Seite und setzte sich in einen der ledernen Sessel. »Also bist du eine neue Verbindung eingegangen. Wer ist sie, Adam? Ich kann es kaum erwarten, ihren Namen zu erfahren.«
Ihm kam der Gedanke, dass er am besten Julias Aufmerksamkeit ablenken könnte, während er nach dem Tagebuch suchte, wenn er sie in dem Glauben ließ, dass er eine neue Affäre begonnen hätte. Wenn sie das glaubte, dann würde sie in den nächsten Tagen weitaus weniger Fragen über sein angeblich ungewöhnliches oder heimlichtuerisches Verhalten stellen.
Er sortierte seine Papiere, während er sich in Gedanken einen Plan zurechtlegte.
»Du kannst nicht von mir erwarten, dass ich dir ihren Namen verrate«, meinte er.
»Ich weiß, dass du gewisse Regeln in dieser Sache einhältst, aber in diesem Fall gelten diese Regeln nicht.«
»Sie gelten in jedem Fall.«
»Unsinn. Du hast diese Regeln immer viel zu ernst genommen. Also, warst du vielleicht in der vergangenen Nacht bei Lillian Tait? Ich habe gewusst, dass du ein Auge auf sie geworfen hast. Bist du endlich ihrem Charme erlegen?«
»Wie kommst du auf den Gedanken, dass ich eine ganze Nacht und einen großen Teil des Morgens an Lillian Tait verschwende?« Er legte die Papiere beiseite, die er gerade sortiert hatte. »Ich kann die Unterhaltung dieser Lady kaum einen Tanz lang ertragen.«
»Ich kann mir eine ganze Reihe von Gründen vorstellen, warum du sie unter anderen Umständen vielleicht ganz unterhaltsam findest. Mrs. Tait ist eine sehr attraktive und sehr reiche Witwe, und sie macht kein Geheimnis aus der Tatsache, dass sie nicht die Absicht hat, wieder zu heiraten. Sie genießt ihre Freiheit sehr. Alles in allem scheint es ganz so, dass sie für eine Affäre die richtigen Voraussetzungen mitbringt.«
»Findest du wirklich?« Absichtlich ließ er
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