Liebe um Mitternacht
eifersüchtige Konkurrentin hatte, ein Medium mit dem Namen Irene Toller.«
»Du hast uns schon einmal erzählt, dass es unter den Frauen, die als Medium arbeiten, eine große berufliche Konkurrenz gibt«, meinte Milly.
Emma rührte in ihrem Tee. »Wir können nur hoffen, dass die Polizei den Täter sehr schnell fängt und der ganzen Sache ein Ende macht.«
Aber was ist, wenn die Polizei den Mörder nicht findet, überlegte Caroline. Würden sie dann vielleicht irgendwann auch vor ihrer Tür stehen, genau wie Adam Grove es getan hatte? Und was war mit dem geheimnisvollen Mr. Grove? Wenn er das Tagebuch nicht fand, würde er dann wiederkommen, um sie mit noch mehr Fragen und unverhüllten Vorwürfen zu konfrontieren? Würde er sich vielleicht sogar entscheiden, der Polizei die Liste der Teilnehmer von Mrs. Delmonts letzter Seance zu übergeben?
Sie wusste sehr genau, dass man den meisten Männern seines Standes nicht trauen konnte.
Emma sah sie mit grimmigem Blick an. »Hättest du nur nicht die Idee gehabt, eine der Rollen in deinem neuen Roman mit einem Medium zu besetzen, Caroline. Dann wärst du auch niemals ins Wintersett Haus gegangen, um dort übersinnliche Studien zu betreiben, und wir hätten niemals an Elizabeth Delmonts letzter Seance teilgenommen.«
Aber ich habe diese Idee nun einmal gehabt, dachte Caroline bedrückt. Und jetzt sahen sie und ihre Tanten sich der Tatsache gegenüber, in einen weiteren schrecklichen Skandal verwickelt zu werden, einen Skandal, der ihre neue Karriere zerstören würde, auf die sie alle drei finanziell angewiesen waren.
Sie konnte nicht einfach hier sitzen und darauf warten, dass das Unheil sie traf wie eine Lawine. Sie musste etwas tun. Es stand viel zu viel auf dem Spiel.
5
In dieser Nacht holte sie der alte Alptraum wieder ein.
Sie hob die schweren Röcke und lief über den unbefestigten Weg um ihr Leben. Hinter ihr hörte sie die schweren Schritte ihres Verfolgers, die immer näher kamen. Ihr Herz raste. Sie wurde müde, keuchend sog sie den Atem in ihre Lunge.
Furcht und Panik hatten zu Beginn dieses schrecklichen Ereignisses eine unnatürlich Energie in ihr freigesetzt, doch das Gewicht ihrer Röcke war entsetzlich, es bremste sie. Der kleine Sonnenschirm, der an einer hübschen Kette hing, die Milly und Emma ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, schlug ihr gegen die Seite und brachte sie aus dem Gleichgewicht.
Sie wusste nicht, wie lange sie noch so würde laufen können, doch sie wusste, wenn sie stehen blieb, würde sie sterben.
»Du musst weggehen«, sagte ihr Verfolger mit dieser unheimlichen, unnatürlich vernünftigen Stimme. »Verstehst du das denn nicht? Er wird zu mir zurückkommen, wenn du weggehst.«
Sie wandte den Kopf nicht, um über ihre Schulter zurückzublicken. Dieses Risiko durfte sie nicht eingehen. Wenn sie stolperte und fiel, war sie verloren.
Es hatte sowieso keinen Zweck, zurückzublicken. Sie wusste alles, was sie wissen musste. Ihr Verfolger hielt ein großes, glänzendes Messer in der Hand und war entschlossen, sie umzubringen.
»Du musst weggehen.«
Die Schritte kamen näher, die Frau, die sie verfolgte, wurde nicht durch ein unförmiges Kleid aufgehalten. Ihre Mörderin trug nur ein Nachthemd aus leichtem Leinen und ein paar feste Schuhe.
»Er wird zu mir zurückkommen, wenn du weggehst.«
Der Wollrock ihres Kleides war schwer wie Blei. Sie verlor ihren Vorsprung…
Caroline wachte schweißgebadet auf, wie immer nach diesem Traum. Zweifellos war der Mord an dem Medium verantwortlich dafür, dass ihr Alptraum zurückgekehrt war, überlegte sie.
Sie hatte diesen Traum jetzt seit drei Jahren immer wieder gehabt. Manchmal träumte sie ihn zwei Wochen lang oder sogar einen ganzen Monat nicht, gerade lange genug, um die Hoffnung in ihr zu wecken, dass er nun wirklich vorüber war. Dann kam er ganz plötzlich ohne jegliche Warnung zurück und störte ihren Schlaf. Manchmal quälte er sie, suchte sie mehrere Nächte hintereinander heim, ehe er dann wieder verschwand.
Sie schwang die Beine aus dem Bett und griff nach ihrem Morgenmantel und den Pantoffeln. Es hatte keinen Zweck, zu versuchen, noch einmal einzuschlafen. Sie kannte diese Dinge mittlerweile viel zu gut. Es gab nur eines, was sie tun konnte – etwas, das sie jede Nacht tat, wenn dieser Traum und die beängstigenden Erinnerungen sie verfolgten.
Leise ging sie nach unten in das kalte Arbeitszimmer. Dort zündete sie eine Lampe an, goss sich ein halbes Glas Sherry ein
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