Liebe um Mitternacht
müssen Sie wissen, dass es eine Art Schleier gibt, der diese Welt von der Welt trennt, in der die Geister herrschen. Gewisse Individuen, wie ich zum Beispiel, besitzen die Fähigkeit, einen Weg hinüberzufinden. Ich bin in der Tat nur eine Art Kanal, ein Medium, durch das diejenigen, die schon vor uns von dieser Welt gegangen sind, in die weltliche Sphäre zurückkehren können.«
Ein aufmerksames Schweigen legte sich über die Zuschauer. Irene genoss jetzt die volle Aufmerksamkeit jedes Einzelnen. Sie stellte die Planchette auf ein Blatt Papier und legte dann leicht die Finger darauf.
»Ich muss mich zuerst vorbereiten, damit die Geister meine Hand nutzen können, um ihre Botschaften niederzuschreiben«, sprach Irene weiter. »Wenn ich in die nötige Trance getreten bin, werde ich von den Zuschauern Fragen entgegennehmen. Und falls die Geister sich entscheiden, zu antworten, werden sie das über die Planchette tun.«
Man hörte leises Murmeln. Trotz ihrer Skepsis beugte sich Caroline erwartungsvoll ein wenig vor.
»Ich warne Sie jedoch, dass die Geister nicht immer die Fragen beantworten, die in diesen öffentlichen Sitzungen gestellt werden«, meinte Irene. »Sie bestehen sehr oft darauf, dass gewisse Fragen in einer weniger öffentlichen Sitzung gestellt werden.«
Adam beugte sich zu Caroline und flüsterte in ihr Ohr: »Es scheint so, als wolle sie ihr Geschäft mit wesentlich teureren Seancen ankurbeln, die sie am Abend in ihrem eigenen Haus abhält.«
»Seien Sie still. Ich versuche, Mrs. Toller zuzuhören.«
Auf der Bühne fiel Irene allen Anzeichen nach gerade in eine Trance. Sie hatte die Augen geschlossen und schwankte leicht auf ihrem Stuhl.
»Hört, ihr geisterhaften Geschöpfe, die hinter dem Schleier existieren, der diese Welt der Sterblichen abschirmt«, begann sie mit monotoner Stimme. »Wir möchten von euch hören. Wir suchen eure Führung und euer Wissen.«
Erwartung lag über dem Publikum. Caroline sah, dass die meisten der Anwesenden mit Freuden jeglicher Logik abschworen. Sie wollten wirklich glauben, dass Irene Toller mit der Geisterwelt in Verbindung treten konnte.
»Ein williges Publikum ist immer leicht zu betrügen«, meinte Adam leise.
Irene stieß ein leises, klagendes Geräusch aus, bei dem ein Schauer durch Carolines Körper rann. Das Medium zuckte mehrere Male zusammen, ihre Schultern bewegten sich.
Das Publikum war gebannt.
Irenes Stöhnen hörte plötzlich auf. Sie erstarrte, ihr Kopf fuhr zurück, dann richtete sie sich auf und erschien irgendwie größer und bedeutender als zuvor.
Sie öffnete die Augen und starrte das Publikum mit einem eindringlichen Blick an.
»Die Geister sind hier«, erklärte sie mit hohler, furchteinflößender Stimme, die so ganz anders war als ihre Stimme zuvor. »Sie schweben überall um uns herum in diesem Raum, für den normalen Menschen sind sie unsichtbar. Sie warten auf unsere Fragen. Sprecht.«
Caroline hörte, wie einige Leute Seufzer und leise Rufe ausstießen.
Ein Mann erhob sich ein wenig unsicher von seinem Platz. »Ich bitte um Entschuldigung, Mrs. Toller. Aber ich wollte die Geister fragen, wie es auf der anderen Seite ist.«
Einen Augenblick lang herrschte vollkommene Stille. Und dann begann, anscheinend ganz von selbst, die Planchette sich unter Irenes Fingern zu bewegen.
Caroline spürte, dass alle, mit Ausnahme von Adam Hardesty, den Atem anhielten. Das Publikum beobachtete fasziniert, wie der Stift, der in der Planchette eingelassen war, über das Papier glitt.
Nach einem Augenblick hörte er auf zu schreiben. Irene sah aus, als hätte die Anstrengung sie erschöpft. Sie schob die Planchette beiseite, hob das Blatt Papier auf und hielt es dem Publikum hin. Im Schein der Lampe erkannte man eine gekritzelte Botschaft.
»Dies ist ein Reich voller Licht und Harmonie«, las Irene laut vor. »Diejenigen, die noch immer in ihrem sterblichen Körper gefangen sind, können es sich nicht vorstellen.«
Gemurmelte Zustimmung und Verwunderung waren von überallher zu hören.
»Ich habe kein Talent, Romane zu schreiben«, flüsterte Adam Caroline zu. »Aber ich schwöre, sogar ich könnte so etwas erfinden.«
»Wenn Sie es nicht lassen können, Bemerkungen über diese Demonstration zu machen, dann wäre es vielleicht besser, wenn Sie sich an einen anderen Platz in diesem Raum setzen würden, Sir«, fuhr ihn Caroline leise an. »Ich versuche, Mrs. Toller zu beobachten. Und dabei kann ich keine Ablenkung gebrauchen.«
»Sie
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