Liebe um Mitternacht
in sein Innerstes erschüttert hatten.
Jetzt im Nachhinein wusste er, dass er nicht auf die kleinen Hinweise hatte achten wollen, die ihm Carolines Mangel an Erfahrung verraten hatte. Er hatte nur zu gern glauben wollen, dass sie eine Witwe war. Und als diese Tatsache sich zuvor als falsch herausgestellt hatte, hatte er sich mit der ebenso passenden Annahme getröstet, dass sie eine dunkle Vergangenheit und eine skandalöse Affäre hinter sich gebracht hatte.
Aber Caroline bot ihm eine Überraschung nach der anderen.
Sie gähnte leicht und reckte sich, wie eine kleine Katze unter der Decke. »Was sollte ich dir sagen?«
Er fühlte, wie ihre Zehen gegen sein Bein stießen. Diese kleine Berührung hatte eine erregende Wirkung.
»Dass du noch Jungfrau warst«, meinte er.
Caroline erstarrte. Dann stützte sie sich auf einen Ellbogen und sah mit gerunzelter Stirn auf ihn hinunter.
»Hätte ich dir das sagen sollen?«, fragte sie.
»Jawohl«, entgegnete er ungerührt. Er war genauso ärgerlich über sie wie über sich selbst. »Du hättest mir das sagen müssen. Ich habe es mir zur Regel gemacht, nicht mit einer unschuldigen Frau ins Bett zu gehen.«
»Ah, da liegt also das Problem.« Ihr Gesicht hellte sich sofort auf. »Du lebst also nach Regeln.«
»Du machst dich über mich lustig, Caroline«, warnte er sie vorsichtig.
»Wir wollen diese Situation doch einmal logisch untersuchen. Mit einer unschuldigen Frau meinst du also ganz sicher eine sehr junge Lady ohne weltliche Erfahrung, von der erwartet wird, dass sie ihren Ruf schützt, bis sie einmal heiratet. Ist das richtig?«
»Fast«, gab er vorsichtig zu. Ihre Antwort ließ ihn aufhorchen. Sie hatte vor, ihn zu manipulieren. Er wusste es so genau, wie er seine eigene Vergangenheit kannte.
Sie lächelte ihn strahlend an. »Dann brauchst du dir ja keine Sorgen zu machen. Ich passe nicht in diese Kategorie unschuldiger Frauen, und daher hast du deine Regeln auch nicht gebrochen.«
Er nahm eine Locke ihres Haares und wickelte sie um seinen Finger, dann zog er leicht daran. »Nicht?«
»Nein, wirklich nicht. Sieh dir doch nur einmal die Tatsachen an.« Sie hob die Hand und zählte an den Fingern ab. »Zuerst einmal bin ich keine
junge
Lady mehr. Ich bin schon siebenundzwanzig Jahre alt, längst über das Alter hinaus, in dem die Welt einen für unschuldig und im heiratsfähigen Alter hält.«
»Caroline …«
»Zweitens würde ich mich in dem unwahrscheinlichen Fall, dass mir ein Mann begegnen würde, den ich mir als eventuellen Ehemann vorstellen könnte, verpflichtet fühlen, ihm von dem schrecklichen Skandal vor drei Jahren zu erzählen, und das wäre das Ende der Geschichte. Kein anständiger, wohlerzogener Gentleman würde eine Frau heiraten wollen, deren Ruf so gründlich zerstört worden ist wie der meine, selbst dann nicht, wenn sie einen anderen Namen angenommen hat. Daher sehe ich absolut keinen Grund, warum ich mich bewahren sollte für eine Hochzeitsnacht, die es niemals geben wird.«
»Deine Logik hat einen großen Fehler«, begann er.
»Und als Letztes«, sprach sie weiter und unterbrach ihn, »obwohl ich technisch gesehen noch eine Jungfrau war, so fehlt mir doch nicht die weltliche Erfahrung. Ich wusste sehr gut, was ich tat, als ich heute Abend deine Küsse erwidert habe, Adam. Du hast mich nicht ausgenutzt. Wenn überhaupt, dann war es höchstens anders herum.«
»Anders herum?« Erstaunt über die Wendung der Dinge zog er den Arm unter seinem Kopf hervor und setzte sich auf. »Versuchst du etwa, mich davon zu überzeugen, dass du mich absichtlich verführt hast?«
Sie schürzte die Lippen. »Nun ja …«
»Denn das glaube ich dir nicht. Keinen Augenblick lang.«
»Ich sagte doch nur, dass ich mich von dir angezogen gefühlt habe, gleich vom ersten Augenblick an.« Sie winkte lässig ab. »Ich gebe zu, es hat da zuerst ein kleines Problem gegeben, weil ich befürchtet habe, du könntest eine Bedrohung für mich bedeuten. Aber als ich erst einmal sicher war, dass ich dir trauen konnte, habe ich gehofft, dass du meine Gefühle erwidern würdest.«
»Ach so.«
»Ich gebe zu, die Dinge haben sich wesentlich schneller entwickelt, als ich es vorhergesehen habe«, sprach sie unbeirrt weiter. »Ich hätte ganz sicher nicht erwartet, dass wir uns schon nach einer so kurzen Zeit unserer Bekanntschaft so leidenschaftlich in den Armen liegen.«
»Ich auch nicht.« Er fuhr mit den Fingern durch ihr Haar und zog ihr Gesicht näher zu sich.
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