Liebe um Mitternacht
zurückgefallen. Am Anfang hatte sie sich eingeredet, dass ihre Beziehung aus ihrer Sicht lediglich geschäftlicher Natur war. Doch sie hatte einen entsetzlichen Fehler begangen. Sie hatte sich verliebt.
Wie hatte sie nur so dumm sein können. Es war beinahe so, als wäre sie verzaubert gewesen, überlegte sie. Aber der Zauber war schließlich gebrochen worden, durch das Vergießen von Blut, der ältesten Magie von allen. Und dabei glaubte sie nicht einmal an diesen ganzen Unsinn, rief sie sich ins Gedächtnis, und ein Schauer rann durch ihren Körper.
Aber sie glaubte an die Rache, und schon bald würde sich ihre Rache erfüllen.
Irgendwo im Haus knarrte eine Diele. Das unheimliche Geräusch war laut in der Stille und riss sie aus ihren Gedanken. Sie holte tief Luft und bemühte sich, ruhig zu bleiben. Das Geräusch war nicht mehr als das Arbeiten des Holzes im Haus, das sie schon so oft gehört hatte, wenn sie in der Nacht allein war.
Sie zwang ihre Konzentration wieder zurück auf die ursprünglichen Dinge. Die Seance heute Abend war ganz besonders gut verlaufen, überlegte sie. Es war sehr erfreulich gewesen, Mrs. Fordyce dabei zu haben. Die Schriftstellerin war ganz sicher einer der wichtigsten Menschen, den sie je bei einer Seance hatte begrüßen dürfen. Es stimmte zwar, Caroline Fordyce gehörte nicht zur gehobenen Gesellschaft, aber sie wurde immer bekannter, und es bestand kein Zweifel daran, dass sehr viele Menschen der gehobenen Gesellschaft ihre Romane lasen.
Irene bedauerte nur, dass die Inspiration sie dazu veranlasst hatte, den toten Ehemann der Schriftstellerin heraufzubeschwören. Es bestand immer ein Risiko, wenn man den Geist eines verstorbenen Ehepartners einschaltete, überlegte sie. Ein Medium musste vorsichtig mit diesen Dingen umgehen, ganz besonders wenn es nichts wusste von der Beziehung ihres Kunden und des Verstorbenen. Sie erinnerte sich nur zu gut an den Abend, an dem sie den Geist eines toten Ehemannes herbeigerufen hatte, nur um dann festzustellen, dass die Witwe ihn abgründig gehasst hatte und wahrscheinlich sogar dabei nachgeholfen hatte, ihn auf die andere Seite zu befördern.
So zu tun, als hätte sie Kontakt mit Jeremy Fordyce aufgenommen, schien ihr harmlos, bis sie aufgeblickt und die nackte Wut im eisigen Blick von Mr. Grove entdeckt hatte. In diesem beunruhigenden Augenblick hatte sie einen Anflug von Furcht verspürt, die durch ihren Körper fuhr. Bei der Erinnerung daran rann erneut ein Schauer durch ihren Körper. Sie hatte sofort begriffen, dass sie sich schrecklich geirrt hatte.
Einige entsetzliche Sekunden lang hatte sie befürchtet, dass Mr. Grove ein Licht anzünden und all ihre Tricks enthüllen würde, einschließlich der falschen Wachshände, die sie auf den Tisch gelegt hatte, damit ihre eigenen Hände die verschiedenen Gerätschaften bedienen konnten, die sie eingebaut hatte.
Irene nahm sich vor, den verstorbenen Ehemann nicht mehr zu erwähnen, wenn Mr. Grove bei einer Sitzung dabei war.
Ganz sicher jedoch wollte sie die Verbindung mit Mrs. Fordyce fördern. Die Schriftstellerin würde neue Türen für sie öffnen, überlegte Irene zufrieden. Es war Tatsache, dass die gesellschaftlichen Regeln sehr streng waren, wenn es darum ging, mit der anderen Seite in Verbindung zu treten, genau wie im wirklichen Leben auch. Die Menschen der gehobenen Gesellschaft waren genauso fasziniert vom Spiritualismus wie alle anderen auch, aber sie zogen es vor, Medien aufzusuchen, die aus ihren eigenen Reihen zu kommen schienen. Sicher, manchmal machten sie sich einen Spaß daraus, an der Seance eines Mediums teilzunehmen, das gesellschaftlich unter ihnen stand, aber sie würden niemals auch nur einen Augenblick lang daran denken, eine Irene Toller in ihren kostbar möblierten Salon einzuladen.
Selbst wenn sie es schaffte, sich bis in diese Höhen emporzuarbeiten, wäre sie in den Augen der Elite doch nicht mehr als eine Unterhalterin. Nie würden sie Irene im gleichen Licht sehen wie Julian Eisworth.
Sie schnaufte leise und nahm noch einen Schluck von ihrem Gin. Wenn doch diese reichen, arroganten Typen aus der Gesellschaft, die Eisworth umschwärmten, nur die Wahrheit über ihn wüssten. Sie verzog das Gesicht. Was könnte sie ihnen über diesen Mann alles erzählen.
Wieder ächzte es irgendwo in dem kalten Haus. Unsicher blickte sie zu dem verborgenen Schrank, in dem sie den schlimmen Beweis ihres Verbrechens versteckt hatte.
Es hatte sich noch keine Gelegenheit
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