Liebe um Mitternacht
»Verrate mir eines, Caroline, wenn du es kaum erwarten konntest, die körperlichen Freuden zu erleben, warum hast du dann so lange gewartet? Sicher hat es doch schon andere Gelegenheiten dazu gegeben.«
Sie schüttelte lächelnd den Kopf, als fände sie seine Frage recht naiv. »Für eine Frau gibt es immer eine Menge Risiken. Ich wollte sie nicht mit dem falschen Mann eingehen.«
Eine tiefe Zufriedenheit erfüllte ihn für einen Augenblick. »Und du hast geglaubt, ich sei der richtige Mann?«
Das Lachen verschwand aus ihrem Blick, nur eine tiefe Sicherheit blieb. »Heute Abend hat es daran überhaupt keinen Zweifel gegeben.«
Er strich sanft mit seinen Lippen über ihre. »Und fandest du die Erfahrung genauso interessant und erregend, wie du es erwartet hattest?«
»Vollkommen. Sehr befriedigend, in der Tat.«
»Du machst mich sprachlos, ganz zu schweigen davon, was du meinen Nerven antust.«
»Reiß dich zusammen, Sir«, forderte sie ihn auf. »Falls du fürchtest, dass deine Nerven versagen, dann erinnere dich bitte an den großen Vorteil, den ich dir biete und den ausgezeichneten Schutz, der mich vor den schlimmsten Folgen eines Skandals und des Ruins schützen wird.«
»Und was ist das für ein Vorteil?«
»Nun, kein anderer als mein verstorbener Mann, Jeremy Fordyce, der mich praktischerweise zu seiner Witwe gemacht hat.«
Er zog sie zurück auf das Bett. »Ich gebe zu, der Geist dieses Mannes hat wirklich seine Vorzüge.«
18
Irene Toller saß allein in dem Seancezimmer und dachte über ihre Rache nach, vor ihr auf dem Tisch stand ein großes Glas Gin. Ich war ein Dummkopf, dachte sie, aber die Zeiten sind vorbei. Endlich waren die Schleier von ihren Augen gefallen.
»Ich trinke auf dich, Elizabeth Delmont, wo immer du auch sein magst.« Irene hob das Glas in einem spöttischen Toast und nahm einen großen Schluck. Der feurige Alkohol brannte in ihrem Hals.
Sie wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Du hinterhältige Hure, du hast mir einen großen Gefallen damit getan, mir die Wahrheit zu zeigen. Weißt du, wenn ich wirklich die Fähigkeit besäße, Phantome herbeizurufen, dann würde ich deinen Geist aus der Hölle heraufbeschwören, nur um mich anständig bei dir zu bedanken.«
Sie nahm noch einen Schluck von dem Gin und bemerkte vage, dass es im Haus langsam kalt wurde. Nachdem Bess gegangen war, war das Feuer heruntergebrannt.
»Leider werde ich dir nicht mehr sagen können, wie sehr ich es zu schätzen weiß, was du für mich getan hast, Mrs. Delmont, denn wenn es um eine Seance geht, bin ich genauso eine Betrügerin, wie du es gewesen bist«, murmelte sie vor sich hin. »Aber alle, die auf diesem Gebiet arbeiten, sind Scharlatane und Betrüger, nicht wahr? Das ist das große Geheimnis, das uns in diesem Beruf verbindet.«
Sie schwieg und versank in Erinnerungen an die Vergangenheit. Sie hatte vor beinahe zehn Jahren mit ihrem Beruf begonnen. Damals war sie noch jung und hübsch, beides nützliche Attribute als weibliches Medium, aber dennoch war auch damals schon die Konkurrenz heftig gewesen. Um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen war sie gezwungen gewesen, die alten und nützlichen Taktiken anzuwenden, private Seancen für Gentlemen abzuhalten, die versuchten, mit den Geistern lang verstorbener Geliebter in Verbindung zu treten.
In einer Nacht nach der anderen hatte sie in abgedunkelten Räumen so getan, als wäre sie besessen von den Phantomen, deren frühere Existenzen sie zu Legenden gemacht hatten. Für Geld hatte sie es ihren männlichen Kunden erlaubt, ihren Körper zu benutzen, um ihre Phantasien leidenschaftlicher Begegnungen mit den lustvollen Königinnen und berühmten Geliebten der Antike auszuleben.
Das war nicht ungewöhnlich bei denjenigen, die am unteren Rand des Berufes existierten. Und sie konnte auch nicht leugnen, dass der große Vorzug darin lag, dass das Medium eine Aura der Unschuld behielt. Immerhin hatte sie ja keinen Sex mit einem Kunden, sie war schließlich nur das Medium, das der Geist für seinen Zweck benutzte.
Diesen Teil ihrer Arbeit hatte sie gehasst, aber sie hatte damals keine andere Wahl gehabt, rief sie sich jetzt ins Gedächtnis.
Schließlich hatte sie die Planchette bei ihrer Arbeit eingeführt, einige Klopfzeichen und die Erscheinungen. Diese Techniken hatten ihr einen anderen, weniger fordernden Kundenkreis eingebracht.
Und dann war vor ein paar Monaten
er
in ihr Leben getreten, und sie war wieder in ihre alte Rolle
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