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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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Strahlenvergiftung bekommen würde. Das also bedeutete die Schreckensnachricht der Explosion des zweiten Blocks an diesem Abend. Kornél hatte sie in der Nachrichtenzusammenfassung im Radio gehört und da er leider auch die vorherigen Schreckensnachrichten kannte, das heißt, die gesamte Kausalkette zwischen der Explosion des zweiten Blocks bis hin zum Ende der Welt, nahm er die Sache ernst.
    Kornél hatte bis zum Abend Zeitungen verkauft, danach mit einem Diktafon Audioaufnahmen im Regen gemacht, eine Reportage für eine halblegale Zeitschrift, darüber zu reden wäre jedoch auch unmöglich gewesen. Er steckte tatsächlich voller Geheimnisse.
    Dann musste er sich jedoch gar nicht mehr um seine Geheimnisse kümmern, denn er sah Emma an und lachte los. Sie ebenfalls. Auf den Gesichtern der beiden waren insgesamt acht rote Punkte: Sie hatte vier und er hatte vier. Und jeweils drei davon waren an den gleichen Stellen: an der linken Schläfe, am Kinn und dann, das Augenscheinlichste: an der Nasenspitze. Jeweils ein Punkt befand sich an einer anderen Stelle des Gesichts, was nicht viel am verblüffenden Gesamtbild änderte. Emőke Széles machte lachend eine Bestandsaufnahme der Punkte, wurde dabei jedoch von schlimmer Eifersucht gequält.
    „Ihr seid mir sehr verdächtig. Ihr werdet doch keine Geschwister sein?“
    Kornél und Emma sahen sich an: Oder doch?
    „Also meinem Vater würde ich es zutrauen“, sagte Kornél.
    „Aber ich meiner Mutter nicht“, erwiderte Emma, mit einem Seitenblick zum jungen namenlosen Psychiater.
    „Und deinem Vater?“, fragte Emőke Széles.
    „Ihm schon“, gab Emma zu.
    „Aber ich meiner Mutter nicht!“, sagte Kornél lachend.
    „Ich sage doch, dass sie aus einer Familie sind“, sagte Emőke Széles. „Belassen wir es dabei: Ihr beiden seid Geschwister und damit basta.“
    Weder Kornél noch der junge namenlose Psychiater waren sonderlich erfreut, sich hier über den Weg zu laufen. Es verwunderte sie jedoch auch nicht, da sie in derselben, ein- bis zweitausend Menschen zählenden Szene lebten.
    Für den jungen namenlosen Psychiater war Kornél in erster Linie der Zeitungsverkäufer aus der Pozsonyi Straße und blieb es auch noch eine ganze Weile. Er kannte ihn daher vom Sehen. Er lief jeden Tag an dem Zeitungsstand vorbei, so auch an jenem Tag, als Kornél die Zeitungen gerade mit einer Plane abgedeckt hatte, um sie vor dem Platzregen zu schützen. Auch jetzt, in der Küche von Emőke Széles, sah er den Zeitungsverkäufer aus der Pozsonyi Straße in ihm, der ständig seinen Weg kreuzte. Zum Beispiel im Institut für Psychiatrie.
    Kornéls Eltern wohnten, gemeinsam mit mehreren anderen älteren Ehepaaren, seit einer geraumen Zeit im Institut für Psychiatrie. Die meisten von ihnen – wie auch Kornéls Mutter – waren pensionierte Psychologen. Kornéls Wissen nach nahmen sie an einer groß angelegten internationalen gerontopsychiatrischen Studie teil. Ihre Gruppe war für eine Reihe spezieller Experimente zur Untersuchung gruppendynamischer Phänomene zusammengestellt worden. Die Teilnehmer waren alle begeistert bei der Sache. Und Kornél war sehr froh, dass seine Mutter eine entsprechende Aufgabe gefunden hatte. Das Programm begann, doch dann verstarb der Professor, der die Gruppe aufgestellt und geleitet hatte, plötzlich. Die Leitung der Gruppe wurde von seinem Schüler übernommen. Diesen suchte Kornél auf. Er wollte von ihm lediglich erfahren, was er mit der Gruppe vorhabe. Ob das Programm fortgesetzt werden würde.
    Der Schüler, der niemand anderer als der junge namenlose Psychiater war, erklärte dem Zeitungsverkäufer voller Geduld und Empathie, dass es sich bei der Sache darum handelte, dass der alte Professor einigen früheren Kollegen hatte helfen wollen (demnach unter anderem der Mutter des Zeitungsverkäufers), indem er ihnen eine Unterkunft im Institut zur Verfügung stellte. So etwas komme hier vor. Von wissenschaftlicher Arbeit könne keine Rede sein, „Du verstehst sicherlich, dass die Kollegen von früher dieses bisschen Drumherum brauchten, um sich in ihrer Kompetenz bestätigt zu fühlen.“
    „Es ist also ein Hospiz?“, fragte Kornél.
    „Nein, kein Hospiz“, sagte der junge namenlose Psychiater. „Aber es wäre besser, wenn du deine Eltern wegbringen würdest. Besprich es mit ihnen, sie können ja wieder nach Hause ziehen, wenn das für euch so besser ist.“
    Kornél wohnte schon seit Jahren nicht mehr bei seinen Eltern und jetzt wurde er mit der

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