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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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müssen, drücken, ziehen, stützen. Ihr kam der verrückte Gedanke, dass die Wärme ihrer Berührung ihn ins Leben zurückbringen konnte, und gleichzeitig sagte eine fremde, entrückte Stimme in ihr: So, Bec, jetzt bist du für Alex’ Tod verantwortlich; von nun an nichts mehr als Reue.
    Sie fühlte ihn seufzen und sich regen, und er sagte deutlich: »Au.«
    »Oh, Gott sei Dank«, sagte Bec.
    »Vorsichtig, junger Mann«, sagte Haji, den es zu Becs Verwunderung nicht zu überraschen schien, dass ihr Freund von den Toten zurückgekehrt war. Alex nahm den Kopf vom klebrigen Armaturenbrett. Becs erster Eindruck war, dass sein Gesicht kaputt war, und bei der grässlichen Vorstellung wurde sie ruhig. Sie zog Feuchttücher aus einem Spender und begann, sein Gesicht abzuwischen, und erkannte, dass es nicht so schlimm war, wie es aussah. Haji hielt ihr Handgelenk fest und sagte, sie solle warten, und fragte Alex, wie er sich fühle.
    »Wie fühlst du dich?«, sagte Bec, als ob sie es als Erste gesagt hätte. Um das Auto hatte sich eine Menschenansammlung gebildet; so etwas Spannendes hatten die jüngeren Kinder noch nie erlebt.
    »Dieser Gregi«, sagte Alex benommen und lehnte sich nach hinten. »Der würgt dir immer wieder eine rein.«
    »Tut mir leid. Tut mir leid«, sagte Bec.
    Haji nähte ihn in der Küche mit drei Stichen. Batini, Zuri und Bec sahen zu, wie er Nadel und Faden durch die Haut an Alex’ Stirn führte und die Wunde mit einer Kompresse, Mull und Pflaster verband. Als es getan war und der Arzt zurücktrat und Alex Bec angrinste, wobei eine Augenbraue den Rand des Pflasters aufwarf, hörte sie auf, sich auf die Lippe zu beißen.
    »Tut mir leid«, krächzte sie, ganz klein im Schatten ihres gigantischen Egoismus.
    »Ich hätte mich anschnallen sollen«, sagte Alex.
    »Du hättest tot sein können«, sagte Bec.
    Ihre Bindung an ihre innere Haemoproteus-Kolonie war ihr noch nie so irrational erschienen. Sie war kindisch, der selbstverliebte Tick einer freiheitsgierigen Frau. Ihr wurde bewusst, wie hart ihr Vater über jemanden geurteilt hätte, der die Gruppe in Gefahr brachte, nur um einen Gefallenen zu ehren.
    Am Abend schüttelte sie die Flasche mit dem Antiparasitikum vor Alex’ Nase und erklärte ihm, sie werde jetzt anfangen, es zu nehmen. Aber sie fing an diesem Abend nicht damit an und auch nicht am nächsten, als Alex nach Hause flog. Sie hatte es vor, kam aber bei der Abwicklung des Tests nicht dazu, und als sie Anfang Februar nach London zurückkehrte und Alex zu ihr in die Wohnung zog, war der Verschluss der Flasche noch unaufgebrochen.
    Nur zwei Wochen vergingen zwischen Alex’ Abreise aus Tansania und Becs Rückkehr nach London, aber für Alex waren sie eine Wüste, denn er vermisste sie sehr und war durch seine neue Tätigkeit und den Abschluss seiner Arbeit am Chronase-Komplex der Zuflucht seines üblichen submikroskopischen Herumbummelns beraubt. Er pendelte zwischen dem trostlosen Byzanz des Belford Institute, wo er feststellen musste, dass der Anführer einer Fraktion sein Forschungsteam zu einem Angriffstrupp mit dem einzigen Ziel umgebildet hatte, die Arbeit seiner amerikanischen Rivalen zu diskreditieren, und dem Citron Square, wo Harry missmutig dem Ende entgegenging und sich einerseits über Vernachlässigung beschwerte und andererseits in Ruhe gelassen werden wollte.
    Insofern blieb Alex Zeit, zu grübeln und sich die epischen Gedanken zu machen, die ihn und Bec und das Kind, das sie haben würden, in dieselbe Geschichte einbaute wie die Milliarden Jahre alte Vergangenheit und Zukunft des Lebens und der Erde. Während er im Eiltempo singend durch London strampelte oder mit seinen Teelöffeltrommelwirbeln auf Kaffeetassenrändern seine Institutskollegen dazu trieb, zwischen den Zähnen scharf die Luft einzuziehen, verknüpfte er Bilder miteinander, das Bild einer konkreten kleinen Handschuhhand, der seiner Tochter, im Zoo von ihm gehalten, während er ihr die Stärken und Schwächen sämtlicher Tiere erklärte, und das Bild einer grenzenlosen Wolke von Menschen, die auf eine ewig sinkende Sonne zuflogen wie Löwenzahnsamen im Wind, als ob die zwei Bilder ein und dasselbe zeigten.
    Seit dem Wechsel vom Imperial College ans Belford Institute stach Alex die Fertilität von Wissenschaftlern ins Auge, die weniger im Rhythmus des Lebens zu schwingen schienen als er, linkische, gehemmte, fettleibige, unsportliche, schwerfällige Männer und Frauen, die seines Erachtens schlechtere Chancen

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