Liebe und andere Parasiten
haben sollten als er, von der fortpflanzungsfreudigen Natur begünstigt zu werden, und die dennoch Kinder hatten, zwei, drei, fünf, und Teil des Ganzen waren. Vielleicht, dachte er, war es ihm nicht vergönnt, Teil des Ganzen zu sein, und wenn er starb, würde seine Chronase-Uhr ein für alle Mal stehen bleiben. Aber mit Bec hatte er noch eine Chance bekommen zu beweisen, dass es nicht so war.
Alex sah, dass es Hindernisse gab. Er sah, dass Bec, die verhütete, vielleicht keine Kinder wollte; dass sie vielleicht nicht schwanger wurde; dass es für sie vielleicht zu früh war. Er war unsicher. Er erinnerte sich an schwierige Gespräche mit Maria. Er wusste nicht, wie er es zur Sprache bringen sollte.
Im Februar, wenige Wochen, nachdem Bec nach London zurückgekehrt und Alex bei ihr eingezogen war, brachten sie Harry nach Schottland zum siebzigsten Geburtstag seines Bruders Lewis, Alex’ Vater. Als Alex am Vorabend ihres Fluges nach Norden vom Institut nach Hause kam, traf er Bec auf dem Fußboden des Wohnzimmers neben einer großen Kiste an, auf der das Apple-Logo prangte. Sie saß in schwarzen Leggings und einem Norwegerpullover im Schneidersitz auf dem Laminat und bemühte sich, zwei bunt gestreifte Geschenkpapierbögen übereinanderzulegen. Durch die Verandatür hinter ihr beschien das letzte blaue Abendlicht den verrosteten Grill und die vergammelte Hängematte im Garten.
Zwei Tage zuvor hatten sie Lewis zum Geburtstag einen antiken Globus gekauft. Alex kniete sich neben Bec und verdrehte den Kopf, um die Angaben über den Laptop zu lesen, den die Kiste anscheinend enthielt. »Ziemlich generös für meinen alten Dad«, sagte er.
Bec hob die Kiste an, schob den Doppelbogen darunter, wickelte ihn darum und begann, ihn mit Klebstreifen zu befestigen. »Er ist für Batini«, sagte sie. »Sie hat mir eine SMS geschickt und mich gebeten, ihr einen Laptop zu besorgen. Sie will einen Kurs belegen. Sie haben inzwischen schnelles Internet in Daressalam.«
Alex hielt die umgeschlagenen Laschen des Geschenkpapiers an den Enden der Kiste fest, während Bec einen Klebstreifen darüber zog. Sie begann, einen Bogen Packpapier zu entrollen.
»Haji ist in der Stadt«, sagte sie. »Er kommt später vorbei, um ihn abzuholen. Er nimmt ihn mit zurück. Gib mir mal die Schere.«
Alex schob Bec sacht die Schere in die Hand. »Ein Haufen Mac für einen kleinen Schoß«, sagte er.
Bec unterbrach ihre Arbeit und sah ihm in die Augen. »Ja, es ist auch Schuld mit dabei«, sagte sie. »Als ihr Sohn starb, war sie nicht da, um zu helfen. Die Großmutter trug den Jungen mitten in der Nacht gut fünfzehn Kilometer über die Berge zur Klinik, aber als sie ankamen, war er schon tot. Wir hatten ihn geimpft, und ich hatte Batini gesagt, dass es etwas Gutes ist, obwohl er nur halb immunisiert war. Wir sagen den Leuten immer, dass sie ihre Kinder weiter nachts unter Netze legen und die in Schuss halten müssen, aber wenn eine Gruppe toller internationaler Mediziner mit einem Impfstoff ankommt und den ihren Kindern verabreicht, denken sie: Ach, jetzt sind sie geschützt, ich kann mir die paar Shilling für das Permethrin sparen. Würde dir das nicht auch so gehen?«
Sie wandte sich Alex zu und nagte an ihrem Daumennagel. »Mittlerweile hat sie den Bruder ihres verstorbenen Mannes geheiratet und ist schon schwanger von ihm. Mich kostet es sechs Jahre und mehrere Zehntausend Pfund Zuschuss von anderen, den Doktor in Parasitologie zu machen, ich trecke durch Papua-Neuguinea und finde eine neue Spezies, ich überrede jede Menge Leute, Millionen von Pfund und Jahre ihres Lebens für einen Malaria-Impfstoff zu investieren, und am Ende kann ich Batinis Jungen nicht retten. Und wenige Monate später hat sie ein Baby, ohne ein Quäntchen Wissenschaft. Es ist die älteste Medizin, die es gibt. Du verlierst ein Kind, du machst ein neues. Versuchst, den Malaria-Parasiten mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen. Er reproduziert sich, du reproduzierst dich auch.«
»Na, auf geht’s«, sagte Alex.
»Oh«, sagte Bec, die nicht vorgehabt hatte, dafür, oder für sonst etwas, zu plädieren. Beim Sinnieren über die Ironie von Batinis Situation war ihr gar nicht der Gedanke gekommen, dass sie genauso gut Batini sein konnte, wie Batini Batini sein konnte. Als kompetente Engländerin in Afrika, die sich der unüberbrückbaren Kluft zwischen sich und den Afrikanern peinlich bewusst war, hatte sie auf einmal zufällig eine Möglichkeit gefunden, sie zu
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