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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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Büro hatte, sah sie in den Gesichtern des Wachmanns und der Wachfrau, die in ihrer Loge saßen wie ein Ehepaar in Uniform, ihre eigene gute Laune gespiegelt.
    »Einen wunderschönen Tag«, sagte die Wachfrau.
    Becs Assistentin hatte einen freien Tag. Bec war zu aufgedreht, um sich hinzusetzen, und sie tigerte in ihrem Büro umher und strich mit den Fingerspitzen an der Wand entlang. Der Raum war ihr zu groß und zu niedrig gewesen, als sie ihn bekommen hatte, und trotzdem schienen ihr jetzt die alltäglichsten Dinge, die Yuccapflanze in der Ecke, das Foto ihrer Eltern mit ihr und Ritchie, der leicht schief an die Wand geklebte und von Zeichen und Stickern strotzende Jahresplaner, das Gefühl zu geben, dass die Welt in Ordnung war.
    Am Abend davor hatte sie Ritchies Rat befolgt und Alex erzählt, dass sie guter Hoffnung war, ohne zu beichten, dass sie mit Dougie geschlafen hatte, und ohne ihm zu erzählen, dass Maria schwanger war. Alex war daraufhin kreidebleich geworden, bevor er sich auf Stühle stellte und heruntersprang, mit Messern und Gabeln auf dem Abtropfbrett trommelte und wild davon faselte, endlich zur großen Wanderung aufzubrechen. Er schüttelte den Kopf, schlug sich die Hände an die Schläfen, fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und hyperventilierte. Panische Angst um die Zukunft des Kindes, davor, was alles schiefgehen konnte, ergriff ihn. Er rief seine Eltern an; er wünschte, Harry wäre noch am Leben; er wählte Dougies Nummer, aber Dougie ging nicht an den Apparat. Der ganze fröhliche, alberne Abend, fand Bec, hatte neue Realitätsstrukturen über das Geheimnis getürmt, auf dem sie fußten.
    Sie zog das Klebeband ab, mit dem der Jahresplaner an der Wand befestigt war, um ihn gerade hinzuhängen, und blickte auf einmal neun Monate voraus auf einen Punkt, an dem sie gezwungen sein würde, ihre Termine abzusagen. Sie stellte fest, dass ihr das überhaupt nichts ausmachte.
    Ihr Bürotelefon klingelte, und sie ließ den Jahresplaner auf den Boden fallen und ging dran.
    »Spreche ich mit Dr. Rebecca Shepherd?«, sagte die Stimme einer Frau.
    »Wer spricht da?«
    »Sind Sie Rebecca Shepherd?«
    »Ja. Wer spricht da?«
    »Ich rufe von der Moral Foundation an.«
    »Ist das die Webseite von Val Oatman?«
    Die Frau stockte kurz, dann sagte sie: »Ich bin nicht befugt, über Mr Oatman zu sprechen. Haben Sie einen Kugelschreiber und Papier zur Hand?«
    »Ich habe leider im Moment überhaupt keine Zeit. Worum geht es?«
    »Sind Sie über die Arbeit der Stiftung im Bilde, Dr. Shepherd?«
    »Ich weiß, dass es eine schmierige Webseite über Prominentenskandale ist.«
    »Wir sind eine gemeinnützige Organisation, die das Ziel verfolgt, die Öffentlichkeit auf das unmoralische Verhalten von Prominenten hinzuweisen. Ich hätte gern, dass Sie sich ein Datum aufschreiben.«
    »Ich habe keine Zeit.«
    »Sie müssen sich die Zeit nehmen, Dr. Shepherd. Am achtundzwanzigsten Februar um sechs Uhr morgens werden wir auf unserer Webseite Informationen über unmoralisches Verhalten Sie oder eine Ihnen nahestehende Person betreffend veröffentlichen. Es wird Sie oder jemand anders betreffen, aber nicht beide.«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Ich muss gehen.«
    »Sie können nicht gehen, Dr. Shepherd. Sie müssen zuhören. Die Aufnahme beginnt jetzt. Bitte passen Sie genau auf.«
    Bec hörte ein Piepen, dann ein Klicken und ein Rascheln, und ihr Bruder sagte »Hallo«.
    »Hallo«, sagte Bec.
    »Willkommen bei der Moral Foundation«, sagte eine andere Stimme.
    »Hallo, hier ist Ritchie Shepherd«, sagte ihr Bruder, und Bec begriff, dass sie einem mitgeschnittenen Gespräch lauschte. Ritchies Worte überschnitten sich mit der anderen Stimme, die gerade sagte: »Wegen des hohen Aufkommens von Anrufen an unserer Melde-Hotline befinden sich alle unsere Mitarbeiter zurzeit im Gespräch. Ihr Anruf ist uns wichtig, bitte bleiben Sie deshalb am Apparat.«
    »Oh, Herrgott noch mal«, hörte Bec Ritchie sagen.
    »Wenn Sie in Ihrer Funktion als Anwalt anrufen, wählen Sie bitte die Zwei. Wenn nicht, bleiben Sie bitte dran«, sagte die Stimme.
    Bec konnte Ritchie atmen hören.
    »Vielen Dank. Um kriminelle Machenschaften zu melden, wählen Sie bitte die Eins. Um ein Gerücht weiterzugeben, wählen Sie bitte die Zwei. Um unmoralisches Verhalten zu melden, wählen Sie bitte die Drei.«
    Einem Piepen entnahm Bec, dass Ritchie sich entschieden hatte.
    »Vielen Dank. Wenn Sie einen Autorisierungscode haben, geben Sie ihn bitte

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