Liebe und andere Parasiten
war, der Menschheit anzugehören. Was war los mit den Comries? Sie dachte an Alex’ Vater, wie er aus seinem Dachfenster schaute und seine Frau und Harry zusammen sah und wie er den Vorhang zuzog, statt hinauszugehen und sie zu trennen. Auch Dougie war voll von egoistischer Selbstverachtung und nicht vertrauenswürdig, aber er hätte sich nicht in einem Arbeitszimmer oder unterm Dach verkrochen und sie auf die Weise alleingelassen.
Bec ging mit einem Buch ins Bett und dachte, sie würde noch wach sein, wenn Alex kam. Doch obwohl er nicht lange aufblieb – er ging sogar einmal durchs ganze Haus und suchte nach ihr, weil er fürchtete, sie wäre gegangen –, schlief sie, als er ins Schlafzimmer trat.
Er putzte sich die Zähne, zog sich aus und stellte sich ans Bett, betrachtete Becs Gesicht auf dem Kissen. Das geteilte Bett, dachte er, hier verändert sich alles, oder es verändert sich nicht. Der Sex war von allem, was man teilte, das Geringste. Heutzutage lebten selbst Könige und Milliardäre wie die reinsten Kommunisten, was das Bett betraf. Man teilte das Laken, die Decke, die Matratze, die Luft. Man einigte sich oder zankte sich über die Beleuchtung. Man weckte sich gegenseitig mit seinem Wälzen, seinem Schnarchen, seinen Albträumen, seiner vollen Blase. Wenn einer etwas sagte, musste der andere antworten. Man war nackt. Man war verletzlich. Aber wenn man sich fürchtete, konnte man sich an jemandem festhalten.
Und am schlimmsten war, dass man zu zweit nie allein war. Schon bevor die Kinder kamen und noch wenn sie aus dem Haus waren, war noch etwas mit im Zimmer – eine lebendige Gegenwart. Man wusste nie, was. Es konnte die Erregung sein, die in einem Glitzerbody auf dem Bett herumtollte, es konnte die ermordete Liebe sein, die in einer Blutlache auf dem Boden lag, es konnte die matronenhafte Häuslichkeit sein, die in der Ecke mit den Stricknadeln klapperte, es konnte der blasse Buchhalter der Langeweile sein, der am Fenster prüfend seine Fingernägel betrachtete. Heute Abend drängte ihn die Liebe, abgerissen und angeschlagen, zu Bec, doch um sich neben sie zu legen, musste er mit der Untreue ins Bett gehen.
Alex hob die Decke und schlüpfte zu Bec, die etwas zuckte, aber nicht wach wurde. Er lag ausgestreckt auf dem Rücken, ohne sie zu berühren, fühlte ihre Wärme, fühlte aber auch die beinahe körperliche Präsenz zwischen ihnen. Während er sich noch fragte, was das wohl für eine Präsenz war – sein eigenes Konstrukt, ein hormonelles Tabu, ein konditioniertes Vorurteil –, wälzte Bec sich herum und schlang sich um ihn, und dankbar ging er auf ihre Umarmung ein, auf ihre menschliche Wärme und Weichheit.
Sie wachten um fünf Uhr auf, und um sechs saßen sie vor Becs Laptop und schauten die Homepage der Moral Foundation an. Dort stand immer noch die Enthüllung der Vorwoche. Bec drückte »Aktualisieren« auf dem Browser, und auf der Seite erschien eine neue Meldung.
Sie lautete:
»Jungbrunnen-Wissenschaftler« in Tod des Onkels verwickelt
Topwissenschaftler spritzt Onkel wenige Wochen vor dessen Tod illegal mutierte Zellen – und erbt dann sein Haus
Einer der bekanntesten Medizinwissenschaftler Großbritanniens verletzte laut Informationen der MF die Vorschriften des von ihm geleiteten Instituts, um einem Verwandten, der kurz darauf verstarb, eine Dosis unzureichend erforschter »Jungbrunnen«-Zellen zu verabreichen.
Dr. Alexander Comrie, 42, wurde im vorigen Jahr zum Leiter des angesehenen Londoner Belford Institute for Cancer Research ernannt, nachdem der vorherige Direktor, sein Onkel Professor Harold Comrie, aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war.
Harold Comrie, 64, war tödlich an Krebs erkrankt – einem Krebs allerdings, den die sogenannten »Jungbrunnen«-Zellen, auch »Expertenzellen« genannt, nicht heilen können.
Nach den Verfügungen im Testament seines Onkels erbt faktisch Alexander Comrie und nicht Harold Comries Sohn Matthew den luxuriösen Londoner Wohnsitz des Toten.
Angaben aus dem Belford Institute zufolge nutzte Alexander Comrie seinen Ausnahmestatus aus, um die Zellen unter Umgehung des normalen Weges aus dem Kühlgerät zu nehmen, in dem sie aufbewahrt wurden.
Die Pflegerin Judith Tembo, die sich in seinen letzten Wochen um Harold Comrie kümmerte, gab an, Alexander Comrie habe die Zellen in einer orangefarbenen Sainsbury-Einkaufstüte in das Haus seines Onkels gebracht und sie habe ihm bei der Infusion geholfen. Sie sagte: »Mir war zu dem
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