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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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werde mit Matthew sprechen, und wenn Sie möchten, dass ich mich bei irgendjemandem entschuldige, werde ich das tun.«
    Der stellvertretende Vorsitzende presste die Fingerkuppen zusammen. Wie alt war er, als er das zum ersten Mal gemacht hat?, dachte Alex. Bringt ihm das irgendwas?
    »Einen glücklichen Umstand gibt es«, sagte der stellvertretende Vorsitzende. »Da Sie für die Produktionszeit Ihrer Sendung in Urlaub sind, bleibt uns die Peinlichkeit erspart, Sie bis zum Ende unserer Ermittlungen vom Dienst zu suspendieren.«
    Alex’ Lippen öffneten sich. Das Wort »Ende« hallte in seinen Ohren nach.
    »Es kann sein, dass wir Ihre Rückkehr noch länger hinausschieben müssen.«
    »Ich habe zu arbeiten«, sagte Alex. »Die Leute werden immer noch krank.«
    Einer der Kuratoren sagte: »Einige von uns bekamen Zweifel an Ihrem Einsatz für das Institut, als Sie sich für Ihren Auftritt im Fernsehen freistellen ließen.«
    »Sie haben mich selbst dazu angehalten«, sagte Alex. »Ich habe vor ein paar Monaten hier in diesem Zimmer gesessen, und Sie haben mir erklärt, dass es gut für das Image des Instituts sei. Warum muss ich mich jetzt verteidigen? Das ist doch kein Gericht hier.«
    »Als wir uns das letzte Mal sprachen, hielten wir Sie für einen nüchternen, verantwortungsbewussten Wissenschaftler.«
    »Niemand hat mich darüber aufgeklärt, dass ich kein Glas Wein mehr trinken darf, wenn ich Direktor werde.«
    »Die Szenen in trunkenem Zustand entsprechen also der Wahrheit?«
    »Da bringt ein Online-Skandalblatt einen Bericht von einem rachsüchtigen Mann, und Sie tun so, als ob das die Wahrheit wäre und ich das Gegenteil beweisen müsste«, sagte Alex.
    »Wollen Sie behaupten, Ihr Cousin sei rachsüchtig?«, sagte eine Kuratorin.
    »Nicht Matthew. Val Oatman.«
    »Was meinen Sie mit rachsüchtig?«, sagte der stellvertretende Vorsitzende.
    »Das ist eine persönliche Angelegenheit«, sagte Alex.
    Die Kuratorin räusperte sich und blickte auf ihre Unterlagen. Der stellvertretende Vorsitzende schaute die anderen an. Der Anwalt sagte: »Es wäre hilfreich, wenn wir sicher sein könnten, dass Sie uns alle relevanten Informationen zur Verfügung stellen.«
    »Ich habe Ihnen alles gesagt, was Sie wissen müssen«, sagte Alex. Er stand auf. »Ich nehme an, Sie möchten, dass ich das Haus räume.«
    »Es ist eine heikle Geschichte«, sagte der stellvertretende Vorsitzende. Alex verließ den Raum. Er hörte jemanden hinter ihm herrufen. Ihm war, als sähe er Menschen, die er kannte, dabei zu, wie sie sich in einer endzeitlichen Schlacht zwischen Gut und Böse mit Zähnen und Klauen zerfleischten.
    Im weiteren Verlauf der Woche schwand ihm der Mut. Inzwischen klang es, als könnte es tatsächlich dazu kommen, dass Harrys verwester Leichnam exhumiert wurde. Er nahm sich seinerseits einen Anwalt, der meinte, es sei unwahrscheinlich, dass man ihm einen Strafprozess machte. Eine Frau namens Jane von der BBC teilte Alex telefonisch mit, unter den gegebenen Umständen werde die Ausstrahlung der Sendung um mindestens ein Jahr verschoben.
    Dass Alex in der Lebensmitte Bekanntschaft mit der Ungerechtigkeit machte, löste bei ihm ein starkes Verlangen nach ausgleichender Gerechtigkeit aus, und er wartete sehnsüchtig auf den Moment, in dem Bec Ritchie bloßstellen würde. Er sah keine Möglichkeit, Val oder Matthew zu bestrafen oder sie zu bewegen, ihr Unrecht zuzugeben. Bec und Dougie hatte er verziehen. Die einzige Chance zur Wiedergutmachung lag in der Bestrafung seines alten Freundes, und der Wunsch, ihn leiden zu sehen, beflügelte ihn. Er gab ihm das Gefühl, dass er doch ein Mensch wie alle anderen war. Hätte er wählen können zwischen der Fähigkeit, sich rächen zu wollen, und der Fähigkeit zu tanzen, wäre ihm die Disco lieber gewesen als der Anblick von Ritchie in Handschellen, aber der Durst nach Rache war immerhin etwas. Er konnte nicht verstehen, warum Bec sich nicht zu ihrem Bruder äußerte.
    An einem dunklen Nachmittag im März warteten sie beide im Wohnzimmer des Hauses am Citron Square darauf, dass der Umzugslaster ihre Habseligkeiten in Becs alte Wohnung brachte. Schwere, briefmarkengroße Schneeflocken fielen, und kalt, wie es war, blieben sie hier und da auf den Dächern liegen und klammerten sich an die Überlappungskanten der Schieferplatten wie weißes Moos. Bec und Alex hatten gepackt und nichts mehr zu tun. Bec saß auf dem Sofa und starrte in den Kamin. Sie hatten die Heizung abgestellt, und die

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