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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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Belford wusste, was los war, und nur so tat, als sähe und hörte er nicht, was unter ihm vor sich ging.
    Warum, fragte der stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums Alex, habe er sich mit seiner zwanzigjährigen wissenschaftlichen Erfahrung nicht an die Vorschriften gehalten?
    »Wenn ich mich an die Vorschriften gehalten hätte, hätte ich ihm die Zellen nicht geben können«, sagte Alex.
    »Dann hätten Sie es nicht tun sollen.«
    »Ich wusste, es würde ihm nicht helfen. Ich glaube, er wusste es auch. Aber wir wussten, dass es ihm nicht schaden würde. Ihm wurden Zellen infundiert aus genau demselben Stamm wie vor einer Weile, als wir Sicherheitstests durchführten. Es waren seine eigenen Zellen.«
    »Wenn Sie der Meinung waren, es würde ihm nicht helfen, warum haben Sie ihm dann die Zellen verabreicht?« Alle ihm gegenübersitzenden fünf Männer und zwei Frauen hatten Ausdrucke der MF -Geschichte vor sich liegen. Sie hatten noch andere Papiere, aber worauf sie sich bezogen, war dieser Artikel, dessen zwei Seiten sie ständig hin und her schoben.
    »Er bat mich darum. Ich wollte ihm den Gefallen tun. Er stand kurz vor dem Tod, und er suchte nach Hoffnung.«
    »Sie sind kein zugelassener Arzt. Es stand Ihnen nicht zu, eine unerprobte invasive Maßnahme an einem so kranken Mann vorzunehmen.«
    »Es war eine Krankenschwester dabei. Ich habe den letzten Wunsch eines Sterbenden ausgeführt.«
    »Sie können nicht wissen, ob Sie ihm damit nicht das Leben verkürzt haben.«
    »Ich kann nicht wissen, ob ich ihm damit das Leben verlängert habe.«
    »Ich halte das für eine ausgesprochen leichtfertige Einstellung«, sagte der stellvertretende Vorsitzende.
    Einer der Anwälte beugte sich vor und ergriff das Wort. Er drehte dabei einen Kugelschreiber in den Händen, als ob er eine lange schwarze Zigarette rollte. »Die Frage, die mich interessiert, betrifft das Einverständnis«, sagte er.
    »Es waren Harrys Zellen, es war seine Bitte, und sein Sohn hat zugestimmt.«
    »Es gibt keine schriftlichen Unterlagen«, sagte der Anwalt. »Es gibt keine Unterschriften. Sie haben die Entnahme der Zellen nicht quittiert, Sie haben niemandem gesagt, was Sie vorhaben, Sie haben keine Formulare, Sie haben sich nicht einmal Notizen zu der Maßnahme gemacht. Jetzt erklärt Ihr Cousin, dass er für eine begründete Zustimmung nicht ausreichend aufgeklärt wurde.«
    Alex war der festen Überzeugung, dass diese Maske der Kälte gespielt war, dass seine Inquisitoren die Möglichkeit schlicht vergessen hatten, sich zu entspannen und mit der Sache umzugehen wie die anständigen Menschen, die sie waren. Er beugte sich vor, breitete lächelnd und stirnrunzelnd die Hände vor sich aus und blickte von einem Gesicht zum anderen.
    »Sie kannten meinen Onkel«, sagte er. »Er war ein großer Mann. Er wollte nicht sterben, und er fürchtete, er hätte nicht genug getan, um nach seinem Tod in Erinnerung zu bleiben. Es erschien mir nicht falsch, ihm zu geben, was er wollte, wenn niemand dadurch zu Schaden kam. Ich wollte nicht in seinem Haus wohnen. Ich habe nicht um seinen Wein gebeten. Ich wollte ihm die Zellen nicht geben. Ich wollte in dem Aufsatz in Nature nicht davon sprechen, die Zellen könnten den menschlichen Alterungsprozess aufhalten. Ich habe es seinetwegen getan.«
    Er dachte an Harry in der Zeit, kurz bevor er seinen letzten Atemzug tat, wie er darum gequengelt hatte, nach oben gebracht zu werden, als er dachte, es könnte mit ihm zu Ende gehen. »Ich will im Schlafzimmer entschlafen, nicht im Wohnzimmer«, hatte er gesagt, und ein leises, abgehacktes Keuchen war ihm entwichen, das letzte warme Lachen eines sterbenden Menschen.
    »Erinnern Sie sich nicht mehr, wie witzig er war?«, sagte Alex.
    »Ich glaube kaum, dass Lachen hier angebracht ist«, sagte der stellvertretende Vorsitzende.
    Einer der Kuratoren sagte: »Wollen Sie uns erzählen, dass Sie die Schlussfolgerung eines wissenschaftlichen Berichts einem Vorgesetzten zum Gefallen verändert haben?«
    »Das habe ich nicht gesagt, und das habe ich nicht getan«, sagte Alex. Sein Mund war ganz trocken. Er verstand die Veränderung nicht, die über diese Leute gekommen war, die ihm bei ihrer letzten Begegnung so um den Bart gegangen waren.
    »Mir klang es so, als ob Sie genau das getan hätten«, sagte der Kurator.
    »Wir sehen das alle genauso«, sagte der Anwalt.
    Alex räusperte sich. »Ich weiß nicht, was Sie von mir erwarten«, sagte er. »Sie wissen, was geschehen ist. Ich

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