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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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Restwärme in den Heizkörpern schwand. Alex stand mit den Händen in den Taschen an der Tür. Er trat an das Fenster zur Straße, um nachzuschauen, ob der Laster langsam kam. Bec griff sich den neben ihr auf dem Sofa liegenden Mantel und zog ihn an.
    »Wann wirst du Karin erzählen, was Ritchie getan hat?«, sagte Alex.
    Bec erschauerte und rieb sich die Hände zwischen den Knien. »Val war zu stolz, um die Geschichte über mich zu veröffentlichen. Er dachte, er könnte mich wie ein Gentleman grausam behandeln, indem er dich angreift. Dafür scheint er sich ja zu halten: für einen altmodischen englischen Gentleman. Denn die konnten durchaus grausam sein, nicht wahr, die altmodischen englischen Gentlemen? Sie forderten andere zum Duell, wenn sie wussten, dass sie gewinnen würden. Wenn eine Frau sie gekränkt hatte, töteten sie den Geliebten der Frau oder ihren Ehemann und brachten Schande über den Bruder der Frau, doch sie selbst rührten sie nicht an, sie ließen sie einfach weinend zwischen den Leichen der Männer zurück.«
    Alex setzte sich neben sie auf das Sofa. »Wann wirst du es Karin erzählen?«, sagte er abermals.
    »Gar nicht.«
    »Du wirst das Geheimnis deines Bruders wahren.«
    »Ja.«
    »Er hat dich verraten, und er hat seine Frau mit einem fünfzehnjährigen Mädchen betrogen, das seiner Obhut unterstand, und er wird dafür nicht bestraft werden.«
    »Nicht von mir.«
    »Und wir haben die Hölle durchgemacht, und dabei haben wir gar nichts getan.«
    »Ich habe etwas getan. Ich hätte nicht mit Dougie schlafen dürfen. Du hast nichts getan, aber dafür, was Matthew getan hat, kann Ritchie nichts.«
    »Das ist nicht gerecht.«
    »Ich will ihn nicht ans Messer liefern. Ich will seine Familie nicht auf dem Gewissen haben. Ich will nicht, dass er meinetwegen ins Gefängnis kommt. Dass er mich verraten hat, heißt noch lange nicht, dass ich ihn verraten muss.«
    »Und das Mädchen?«
    Bec beugte sich vor und griff in ihre Tasche. Sie zog eine zusammengefaltete Seite heraus, die aus einer Illustrierten gerissen war, faltete sie auseinander und gab sie Alex. Die Seite war voll kleiner Fotos von Leuten mit extravaganten Frisuren, strahlend weißen Zähnen und glänzender Haut in diversen rötlichen, gelben, hell- bis schokoladenbraunen und blitzlichtweißen Tönen. Um eines der Gesichter war mit schwarzem Filzstift ein Kreis gemalt und von dem Kreis ein Strich zum Rand der Seite gezogen worden, wo die zwei Worte »das Opfer!!!« standen. Das gekennzeichnete Gesicht gehörte einem dünnen jungen Mädchen mit markanten Wangenknochen und reichlich Eyeliner. Sie trug ein trägerloses, enges schwarzes Kleid und ein silbernes Halsband und grinste in die Kamera. Ein junger Bursche mit rasiertem Schädel, schüchtern und bemüht wirkend in Anzug und einer Krawatte mit viel zu großem Knoten, hatte den Arm um sie gelegt. Darunter stand: »Craig Arbutnot mit Freundin Nicole Culhame«. Alex erkannte Arbutnots Namen; er war ein Fußballspieler.
    »Das hat mir Ritchie geschickt«, sagte Bec.
    »Damit will er dir zeigen, dass er ihr kein bisschen geschadet hat.«
    »Er will mir zeigen, dass er ihr nur Gutes getan hat, glaube ich. Sie ist jetzt siebzehn. Ich habe sie recherchiert. Sie sieht auf dem Bild älter aus, nicht wahr? Muss das Make-up sein.«
    »Oder das Leben. Oder dass Ritchie ihr die Kindheit geraubt hat. Das Bild sagt gar nichts. Es hat einen Grund, dass es ein Gesetz gegen Sex mit Jugendlichen gibt, die unter sechzehn sind. Wir wissen nicht, wie kaputt sie ist. Sie kann Alkoholikerin sein. Sie kann koksen. Oder Prozac nehmen.«
    »Kann sein. Sie könnte auch ohne Ritchie so geworden sein. Es könnte sie noch kaputter machen, wenn sie vor Gericht gegen Ritchie aussagen müsste.«
    »Leute wie wir ducken sich immer«, sagte Alex. »Wir schlagen nie zurück.«
    »Ich will nicht ›Leute wie wir‹ sein«, sagte Bec. »Ich will selbst entscheiden, was richtig und was falsch ist. Ich will in der Lage sein, Dinge zu tun, die einem Egoisten wie Ritchie absurd vorkommen.«
    »Das ist Schwäche.«
    »Jetzt hörst du dich an wie das Alte Testament.« Tränen sammelten sich in Becs Augen. Sie presste die Hände auf ihren Bauch. »Ich habe das für dich gemacht. Ich wollte vorher nie ein Kind haben, und jetzt will ich eins, deinetwegen, und es gibt für mich noch so viel zu tun. Und statt dass wir darüber reden, wie wir drei das alles durchstehen, willst du mich nur in einem fort überreden, mich an meinem Bruder zu

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