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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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sagte Thomas.
    »Ich wusste gar nicht, dass du Kinder hast«, sagte Alex.
    »Nur Margarita.«
    »Ich wusste auch nicht, dass du mit jemandem zusammen bist.«
    »Ich war mal ein paar Monate verheiratet. Ich sehe Margarita immer mittwochs.«
    »Wenn ich in Genf war, hast du nie erwähnt, dass du eine Tochter hast.«
    »Kinder sind einfach nicht dein Ding«, sagte Thomas, »deswegen.«
    Alex drückte auf den roten Knopf, der das Gespräch beendete, riss das Computerstromkabel aus der Wand und stand auf. Er knackte mit den Fingern. Es erschien ihm in dem Moment unglaublich, dass er fünfzehn Jahre lang die Zelle erforscht, sich zum Spezialisten für das Räderwerk des Lebens gemacht und sich gegrämt hatte, dass er von der Parade des menschlichen Daseins ausgeschlossen war, ein fremder Beobachter, der sich Notizen über die vorbeitanzenden Zigeuner, Fiedler und Bänkelsänger machte und dem dabei die einfache Erkenntnis entgangen war: dass Männer und Frauen Kinder haben konnten. Ein Kind, sinnierte Alex, stach Tanzen, Musik und Anstehen aus. Man war drin. Mit einer Familie war man der eigentliche Baustoff des Lebens; man war der Reisende und die Straße in einem. Es war eines, über Evolution zu reden, aber Kinder waren der Weg, daran teilzuhaben. Wenn das Leben die Party war, waren Kinder die After-Party, und was einem dahin im Weg stand, war allein die Natur: die große Rausschmeißerin. Es überwältigte Alex, dass Ritchie nicht ein Ion vom anderen unterscheiden konnte und unter Evolution verstand, dass man einen krummen Rücken bekam, wenn man in den Zwanzigern zu lange über einen Laptop gebeugt saß, und doch hatte er das alles instinktiv begriffen und hatte schon einen Sohn.
    »Du hast recht mit Kindern«, simste er Maria. »Komm sofort nach Hause und lass uns loslegen.«
    19
    Als Alex klein war, las ihm sein Onkel Harry gelegentlich aus einem Manuskript mit selbst geschriebenen Kindergeschichten vor, die er Geschichten des Lebens nannte. Er sprach davon, es zu veröffentlichen. Der Held des Buches war ein vor Jahrmilliarden entstandener einzelliger Organismus, der sich durch viele Abenteuer und seltsame Begegnungen zu einem Menschen entwickelte. Eine der Geschichten handelte davon, wie das Mitochondrium erstmals in diesen Helden eindrang, den Ahnen aller Männer und Frauen. Der zehnjährige Alex verstand nicht, was das Mitochondrium war, als er seinen Onkel zum ersten Mal das Wort sagen hörte, aber es gefiel ihm sehr, und bei der Vorstellung, einen Jahrmilliarden alten Ahnen zu haben, fühlte er sich gewaltig. In der Schule ermahnte er jeden, der auf dem Spielplatz hinfiel und blutete, nicht das Mitochondrium ausfließen zu lassen.
    »Vor langer, langer Zeit«, las Harry, »vor vierzig Millionen Großvätern, war dein Ahne, die einzelne Zelle, groß und schwach und langsam, aber sein Nachbar, das kleine Mitochondrium, war voller Energie. Und das Mitochondrium sagte zur Zelle: ›Lass mich in dich rein und in dir leben, dann mache ich dich stark, und deine Nachkommen werden unzählbar viele werden.‹ Und die Zelle sagte: ›Was ist der Haken dabei?‹ Und das Mitochondrium sagte: ›Ich werde dir Energie geben, aber wenn ich Energie mache, werde ich ein bisschen Gift in dich einfüllen, und das wird dich altern lassen, und du wirst sterben.‹ Und die Zelle sagte: ›Was heißt altern? Was heißt sterben?‹ Und das Mitochondrium sagte: ›Das ist dein Ende. Aber noch nicht gleich, davor wirst du so viele Kinder haben, dass dir dein Ende nicht leidtun wird.‹ Und die Zelle ließ das Mitochondrium ein, und sie vermehrten sich zusammen in den fruchtbaren Meeren der jungen Erde, unter der jungen Sonne.«
    Einmal ging ein Verband von sechzig Billionen Nachfahren dieser ersten Zelle, ein Verband namens Alex Comrie, nach Kalifornien, wo ein Wissenschaftler in einem Labor ihm erklärte, dass die Mitochondrien in den menschlichen Zellen und die Toxine, die sie bei ihrer Arbeit produzierten, schuld daran waren, dass die Menschen alt wurden.
    Er zeigte Alex ein Präparat, ein schwarzes Pulver, das sich mit diesen Toxinen verband und sie unschädlich machte. Unsterblichkeit nicht, nein, aber, schloss der Wissenschaftler aus der Arbeit an Würmern und Mäusen, ziemlich nahe dran. Der Wissenschaftler vergewisserte sich, dass sie nicht beobachtet wurden, und sagte zu Alex: »Probier mal, nur zu. Nimm ein bisschen mit dem Finger. Aber sag es niemandem.« Alex leckte einen Tupfer des adstringierenden Pulvers und ging. Und

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