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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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abgesehen von der Entdeckung, dass er an einem Abend, aber nur einem, fünf Bier trinken konnte, ohne pinkeln zu müssen, hatte das Pulver keine Wirkung. Mit fast vierzig erschienen bei ihm die ersten Falten, und wie bei allen anderen, nicht schneller oder langsamer, wurde seine Haut rauer und seine Haltung schlaffer. Aber als er nach der Pulverprobe zum ersten Mal Granatapfelkerne aß, merkte er, dass sie die gleiche gerbsaure Adstringenz hatten, und das erwähnte er Maria gegenüber.
    Bald darauf fing sie an, frische Granatäpfel zum Frühstück zu essen. »Vielleicht klappt’s damit«, sagte sie. »Vielleicht klappt’s damit« war ihrer beider Slogan in dieser Zeit, als die Ärzte, die sie gründlich testeten, an keinem von ihnen etwas Auffälliges feststellen konnten und der dritte IVF -Zyklus ergebnislos verlief. »Vielleicht klappt’s damit« galt für alles, eine Fliege verschlucken, Sex in einem Hotelgarten, versehentlich gesalzenen Tee. Granatäpfel. Alex hatte sich gefragt, ob »Vielleicht klappt’s damit« im Fall von Granatäpfeln Befruchtung oder nicht alt werden bedeutete; und einmal hatte er Maria gefragt, ob sie lieber ein Kind haben oder ewig leben würde, und Maria sagte: »Sowohl als auch.«
    Nach dem IVF -Debakel schlug Maria eine Adoption vor. Oder, da es ihm so wichtig sei, ein Kind zu haben, sagte sie, könnten sie auch die Eier einer anderen Frau nehmen oder das Sperma eines anderen Mannes.
    »Es muss unseres sein«, sagte Alex.
    »Es wäre unseres«, sagte Maria.
    »Nicht von Natur.«
    »Aber du bist doch Wissenschaftler, du machst medizinische Forschungen«, sagte Maria, die vor Verzweiflung rot anlief und sich die Worte mühsam unter Tränen abrang. »Alles, was du da tust, ist nicht natürlich. Wie kannst du in die Natur eingreifen, damit Leute nicht sterben, und nicht eingreifen, damit sie geboren werden?«
    »Warum muss ich immer der Rationale sein?«, sagte Alex. »Weil ich Wissenschaftler bin? Das ist doch Schematismus. Das ist bigott.«
    Er wusste, dass er der Unfruchtbare sein konnte, was aber, dachte er, wenn das Problem bei Maria lag? Im Herzen verglich er sie heimlich mit seinen früheren Freundinnen und stellte sich vor, wie es wohl gewesen wäre, wenn er stattdessen bei einer von ihnen geblieben wäre und inzwischen einen kleinen Jungen oder ein kleines Mädchen hätte.
    Er verfolgte Becs Arbeit in den Fachzeitschriften. Er fand Bilder von ihr im Internet, und beim Starren auf die bunten Pixel meinte er zu empfinden, wie er fünfzehn Jahre zuvor empfunden hatte, ohne die tröstliche Illusion von damals, dass er bestimmt andere wie sie kennenlernen würde, die ihr wahres Ich und ihre Oberfläche zur Deckung brachten.
    Er wurde vierzig, als er sich dem Abschluss seiner Forschungsarbeit näherte, seiner Erklärung für das Verhalten von Harrys Expertenzellen, die andere, praktischer ausgerichtete Wissenschaftler dafür benutzen konnten, Leben zu verlängern. Seine Kollegen und Harry meinten, wenn er es schaffte, würde ihn das berühmt machen und die Medizin revolutionieren. Alex lachte und sagte, er hoffe, die Schönheit der Lösung werde mehr wert sein als ihre Nutzanwendung, und sie fanden ihn eitel oder glaubten an einen Witz.
    Er hatte gelesen, dass Bec sich selbst infiziert hatte, um ihre Hypothese zu überprüfen, und wollte eine Frau wie sie an seiner Seite haben. Er versuchte zu ergründen, womit sie ihn während ihrer kurzen Bekanntschaft so tief beeindruckt hatte, und gewann – er wusste nicht, wie – das sichere Gefühl, dass sie einen weiten Horizont hatte. Als sich diese Vorstellung einmal in ihm festgesetzt hatte, machte er die Entdeckung, dass Leute, die er kennenlernte, selbst junge Leute, es offenbar fertigbrachten, ihr Bewusstsein mit einer Handvoll Gedanken restlos zu füllen. Sie schienen froh darüber zu sein, als ob es ihr Ziel gewesen wäre, mit minimalem Aufwand so schnell wie möglich ihre inneren Schränke anzufüllen und die Fenster dichtzumachen. Fertig! Bec, da war er sich sicher, wollte nicht fertig sein.
    Als er seine Theorien dem Abschluss entgegentrieb und die Architektur der menschlichen Zelle resümierte, bewunderte er die klare Sprache, mit der Bec in einem Aufsatz in The New England Journal of Medicine beschrieb, wie ihr Parasit in eine menschliche Blutzelle gelangte. Es war, als gondelte seine Zelle gemütlich durch den mikroskopischen Kosmos, nur um von Becs Haemoproteus getroffen zu werden, der durch ihre Membran fetzte wie ein

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